Ich habe leider kein Tattoo am Oberschenkel, auch nicht solch feine Brille, aber einen Blog. Der Narzissmus-Koeffizient ist der gleiche, aber, oh Schande, nicht jeder beachtet mich, wie diese Schönheit auf der Bank vor der Bank. Sie hat`s raus. Ich frage mich in schlaflosen Nächten, wie bekomme ich die meiste Beachtung auf meinem Blog.
Da studiert so einer wie ich, wie machen es die anderen.
Taktik 1
Eine in der Menschenkunde altbekannte Taktik ist, vorgeblich anonym zu bleiben. Man spricht kokettierend den inneren Sherlock Holmes im Betrachter an. Krimigleich inszeniert, setzt man die Besucher darauf an, das Geheimnis um die Identität zu lüften. Diese Blogs brauchen das meistens auch, da sie oft von derartig lapidarer Biederkeit geprägt sind, dass dort nichts spannend ist außer das Geheimnis – nur dass es keiner lüften möchte. Welche Kränkung! Aber man hat seinen Freud studiert. So rationalisiert man fröhlich vor sich hin und stilisiert die bösen anderen, den Chef, die Kollegen, der Partner und wer alles sonst noch herhalten muss. Aber die haben Besseres zu tun – oh dear!
Taktik 2
Nächtelang sitzt der Blogger gehetzt vor seinem Bildschirm, die Augen geschwollen, der Rücken schmerzt, und rast von Blog zu Blog, um möglichst viele like-its zu setzen. Nach dem Prinzip „Ich liebe dich, wenn du mich liebst“, klappt das auch. Aber, ach und weh, nur die Fittesten halten das länger als ein halbes Jahr durch, bevor sie dann zusammenklappen.
Kommentar von Selma: „Masterchen tönt hier herum, aber er ist doch auch like-it-geil. Welch Glitzern seines Auges, wenn ein Pling des Notebooks ein Like-it verkündet, dann ist hier Feiertag! Und ich verrate es euch ganz unter uns, Masterchen und Dina könnten ja mitlesen, huch und ich hab den Passwortschutz vergessen, also unter uns: Dina und Masterchen vergleichen ihre Like-it-Mosaike, die besonders bei diesem WordPress auch wirklich schick ab der dritten Reihe Like-its aussehen. Ich war bei einem, der hatte 164, das ist ein sich ständig wandelndes Kunstwerk für sich, wirklich!“
Taktik 3
Man schreibt sich an möglichst vielen Kommentaren die Finger wund. Bald muss man bereits zum dritten Mal seine abgenutzte Tastatur auswechseln. Und die größte Schande, es fällt einem plötzlich nichts mehr ein, alle Textbausteine sind verbraucht. Panik! Was nun? Sein Haus, den Garten, Frau oder Mann, den Beruf hat man schon lange vernachlässigt, man verarmt, verelendet und wird depressiv.
Kommentar von Siri: „Wenn Masterchen uns Buchfeen nicht hätte, hätten die Brombeeren längst den Garten eingenommen, sein Boot wäre abgesoffen und Dina weggelaufen. Aber ich Liebkluge flüstere ihm stets etwas ein und so findet er wieder Zeit zum Essen und sich zu waschen, wenn auch das iPad auf dem Klo neben ihm liegt.“
Taktik 4
Wer bloggt ist kommunikativ, sonst hat er eine Website. Also hat er viele Freunde – noch. Die braucht er auch, damit sie alle möglichst fünf Mal täglich seinen Blog besuchen. Trifft er Bekannte in der Straße, Freunde auf Partys erkennt ihn sie daran, dass seine Begrüßung lautet: „Warste schon auf meinem Blog?“ – der Ton leicht vorwurfsvoll. Der glückliche Blogger hat einen Freund oder eine Freundin, die ihm vorsichtig fragen, ob er nicht bemerke, dass seine Freunde bei erster Sichtung seiner Person, flugs die Straßenseite wechseln oder in ein Geschäft verschwinden. Man soll ihn schon als „soziale Geißel“ bezeichnet haben. Und, oh Graus, da schlägt das Schicksal unbarmherzig zu, der Besucht nimmt ab, der Blogger vereinsamt.
Taktik 5
Dann gibt`s die Oberelitären, meist intellektuelle Brillenträger, die weder like-its noch Kommentare zulassen. Siris Kommentar: „auf diesen Blogs ist tote Hose. Ist doch klar: da keiner sie liked und auf diese Bleiwüsten nicht antworten möchte, zeigt man das nicht.“ Diese oft sich literarisch gebärdenden Blogs besuche ich allerdings gerne, da ich in England wohne und für meine Vorträge doch wissen muss, welch intellektuellen Phrasen gerade in sind. Ich scanne sie natürlich nur daraufhin durch. Gegen diese Bloggereien war mein Deutschunterricht in der Schule voll geil.
Die Moral von der Geschicht, blog ohne Taktik nicht – oder wäre es nicht einfacher, sich doch ein Tattoo stechen zu lassen und sich die Haare schick zu stylen?
Grüße aus Norfolk
Klausbernd
der sich allerliebst bei Dina für die Fotos bedankt und bei unserer örtlichen Schönheit