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The Hollow Earth

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Die hohle Erde
Hollow Earth

Es gibt keine Grenzen. Nicht für den Gedanken, nicht für die Gefühle. Die Angst setzt Grenzen.
There are no limits, neither for our mind nor for our feelings. Fear sets limits.

Ingmar Bergman

Wir Buchfeen haben in Masterchens alten Studien zu seinem Roman „Tantes Tod“ etwas völlig Abgeknalltes über den Norden gefunden. Ich, Siri Buchfee, fand es zunächst zu verrückt, um es zu veröffentlichen. Aber ich, Selma Buchfee, meinte, dass es doch sooo spannend ist, was man von Newtons Zeit bis noch heute – es gibt wirklich noch immer Anhänger dieser Theorie – auf die Polargebiete projizierte. Ich gebe es ja zu, ich liebe diese kapriösen Theorien der Menschen. Außerdem ist uns Feen die Hohlerdtheorie, gar nicht so fremd. Da raunt man in Wales und Irland, dass, als der Mythos von Logos verdrängt wurde, also kein Mensch mehr an uns Feen glaubte, wir uns zusammen mit den Elfen unter Erde zurückgezogen haben, wo wir unser Leben fröhlich leben. Naja, so ganz stimmt das nicht. Wir sind doch hier bei unserem Masterchen und Dina.

We Bookfayries found in our Master`s old notes (for his German novel „Tantes Tod“) some amazingly crazy ideas about the North. I, the Bookfayrie Siri, thought it much too weird to be published. But I, her sister Bookfayrie Selma, thought it to be more than interesting what was projected onto the polar regions from Newton`s time onwards to nowadays – and you wouldn`t believe it there still some people around believing in this hollow earth theory. I admit I like those capricious ideas constructed by brainy people. Besides we fairies know this hollow earth theory as well. It`s said in Wales and Ireland that fairies together with elves retired under the surface of the earth, which was in times when the mythology was replaced by the rational thinking and nobody believed in fairies any longer. But that isn`t correct. You see, we Bookfayries live over ground with our Master and Dina.

Is here the entrance to the inside of the earth? (Artic Iceshelf)

Is here the entrance to the inside of the earth?
(Artic Iceshelf)

Die Gebiete unter dem Eis und besonders die Pole zogen seit jeher exzentrische Ideen an. So kam ab 1925 in Kreisen nationalsozialistisch Gesinnter die WEL abgekürzte Welteislehre in Mode, die annahm, dass die meisten Himmelskörper aus Eis bestehen. Sie wurde von dem deutschen Volksschullehrer Philip Fauth und dem österreichischen Pseudowissenschaftler Hanns Hörbiger vertreten. Rosenberg und Himmler bekundeten großes Interesse an dieser Lehre. In der magisch neutemplerisch ausgerichteten Thule-Gesellschaft wurde diese Lehre von Rudolf von Sebottendorff verbreitet. Sie verband sich mit der Holherdtheorie und der von Elmar Brugg vertretenen Lehre von der Wirkung kosmischer Kräfte. Diese einflussreichen Vorstellungen vom Norden treffen sich darin, im Norden einen Zugang zur Anderswelt zu sehen. Diese bizarre Theorie war die Reaktion auf Isaac Newtons Entdeckung der Gravitation und seinen Berechnungen, dass der Mond dichter als die Erde ist. Kein Geringerer als der englische Astronom Edmund Halley – dieser Kometenkerl – folgerte 1691 aus Newtons Annahmen, die Erde müsse hohl sein, denn man glaubte damals, alle Planeten und deren Trabanten müsste die gleiche Dichte aufweisen. Ferner nahm man an, alle Himmelskörper seien bewohnt. So war es selbstverständlich, die Hohlräume der Erde zu besiedeln. Die Erde als Kugel wird außen von unserer Welt belebt und innen gibt es eine weitere belebte Welt. Die beiden Eingänge zu dieser Innenwelt sollen nahe den Polen liegen, wobei man den Nordpol bevorzugte. Hier wurde der Lebensraum der ältesten und intelligentesten Lebensformen vermutet. Irgendwann, so hofften die Hohlerdgläubigen, wird von diesen Lebensformen eine Reinigung unserer Erde ausgehen. In der Thule Gesellschaft, die den Nationalsozialismus vorbereitete, wurde behauptet, dass sich die Herrenrasse in diese Innenwelt zurückgezogen habe.

The areas under ice as well as the poles were always kind of magnets for eccentric thinking. We remind you on WEL, the so called „Welteislehre“ (World-Ice-Theory) that became en vogue in fascistic circles from 1925 onwards. The idea was: all the planets and their moons consist of ice. The German teacher Philip Fauth and the pseudo-scientist Hanns Hörbiger spread this idea. Rosenberg (a kind of chief-ideologist of the early fascism) and Heinrich Himmler were quite taken by this idea. It was Rudolf von Sebottenbroch who then sponsored this idea in the esoeteric Thule-society. In this early fascistic and highly influencal society all this theories were combined with the hollow earth theory. This was easy because they all shared the idea that an entrance to another world lies hidden in the very North. This actually goes back to Isaac Newton who found out that our planet is lighter than its moon. The English astronomer Arthur Halley – know for this comet – concluded the earth has to be hollow in 1691 because scientist believed that all the planets and their moons must have the same density. Besides it was believed that all planets are populated and so it was thought that the inner earth is populated too. The outer surface of the earth is where our world takes place and on the inner surface there exists another world. The entrances to this world are situated near the poles, well, the North Pole was preferred. Through the North Pole one could reach the oldest and most intelligent living beings. From these beings, so the believers of the hollow earth theory were convinced, our planed will be „cleaned“ in the near future. In the Thule society, which prepared the NS state, it was claimed that the superrace was waiting on inside of our earth.   

Arthur Halley holding a diagramme of the inner worlds

Arthur Halley holding his diagramme of the inner world (looking quite determined)

Weniger rassistisch geprägt finden wir ähnliche Ideen bei Edgar Allan Poe z.B. in „Die Grube und das Pendel“ (1842). Den Text könnt Ihr Euch vorlesen lassen. Um nicht die Spannung vorweg zu nehmen, sagen wir nur, dass auch Poe einen polaren Eingang zum Erdinneren annimmt. Weiter ausgebaut hat diese Idee dann Jules Verne in seinem erfolgreichen Roman „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ (1864), in dem der Protagonist ein deutscher – wie sollte es auch anders sein – Professor Otto Lindenbrock ist. Er findet ein in Runen geschrieben Manuskript von Snorri Sturluson – der die Prosa Edda an der Wende vom 12. zum 13. Jh. schrieb (hist. Person) – in dem ein isländischer Alchimist andeutet, dass man durch den Krater eines isländischen Vulkans zum Mittelpunkt der Erde reisen kann. Lindenbrock unternimmt kühn diese abenteuerliche Reise. 1924 veröffentlicht dann Wladimir Obrutschew seinen Roman „Plutonien“. Dieser spielt nördlich der Tschuktschen Halbinsel, dort wo Juri Rychtchëu herkommt, ein Romancier, der diese Gegend und das Leben dort genau beschreibt und den unser Master sehr verehrt. Also nördlich der Tschuktschen Küste erforschen Wissenschaftler ein unbekanntes Gebiet, das sie Fridtjof-Nansen-Land taufen. Als sie mit Hundeschlitten weiter gen Norden ziehen, gelangen sie ins Innere der Erde.

Not racist but similar ideas we Bookfayries find in Edgar Allan Poe`s works like „Arthur Gordon Pym“ (1838). Poe imagines an entrance to the inner earth at poles as well. This idea was further developed in Jule Verne`s very successful novel „Journey to the Centre of the Earth (1864).  The hero, the German (of course!) professor Otto Lindenbrock finds a runic manuscript by Snorri Sturluson (the writer of the Edda at the turn from the 12th to the 13th c. – a historic person) in which an Icelandic alchemist hints that is possible to travel to the centre of the earth through a volcanic crater. And so Lindenbrock set off to an adventurous journey. In 1924 the novel „Plutonia“ by the Russian author Vladimir Obruchev was published. This novel plays at the Tchuktchi peninsular (where the author Juri Rychtchëu comes from, a writer who describes this area and is one of the favourite novelists of our Master). North of the Tchuktchi coast Obruchev`s heroes find undiscovered lands which they call Fridtjof-Nansen-Land. As they go further North (on dog sledges) they reach the inner earth.

Cover of the first edition (we unfortunately don`t own)

Cover of the first edition (we unfortunately don`t own)

Wir fanden in Masterchens Bibliothek noch den Roman „Hohlwelt“ (1990) geschrieben von dem Mathematiker und Mitbegründer des Cyberpunks Rudy Rucker, der übrigens von sich behauptet, ein direkter Nachfahre, so ein Ururururenkel des deutschen Philosophen Hegel zu sein. Der Held Mason Reynolds gerät in Schwierigkeiten und trifft in Richmond/Virginia keinen Geringeren als Edgar Allan Poe, der seine Hohlerdtheorie beweisen möchte. Die beiden Zugänge zum Erdinneren liegen natürlich an den Polen und auf geht`s zu einer Expedition in die Erde.
Alle diese Romane bemühen sich, authentisch zu wirken, deswegen treten in ihnen stets Wissenschaftler bzw. ein anerkannter Dichter auf.

Die heutige UFO-Szene ist ebenfalls von solchen Träumen geprägt, wenn sie annimmt, im Inneren der Erde warten UFOs darauf, die Menschen zu evakuieren, falls eine ökologische Katastrophe eintritt. Die Ausflugschneise dieser UFOs liegt in Thule – und damit ist wohl nicht die amerikanische Air Base in NW Grönland gemeint.

We also found on Master`s bookshelves the novel „Hollow World“ written by the mathematician and co-founder of the cyberpunk Rudy Rucker. By the way, he claims being the grandgrandgrandson of the German philosopher Friedrich Hegel – we Bookfayries doubt that. Anyway his hero Mason Reynolds gets into trouble and is lucky to meet Edgar Allan Poe in Richmond/Virginia. Poe wants to prove his hollow earth theory with the entrance at poles and off they go for quite a wild expedition.
All these novels try to sound authentic therefore we find quite some scientist in them or a famous author.

The contemporary UFO-scene dreams similar dreams as well. They suppose that in the hollow earth UFOs are waiting to rescue people in case of an ecological catastrophe. The entry lane is situated at Thule – and they don`t mean that American air base in NW Greenland.

Here the out lights are shinig through - a window of the inner world (500 sm from the North Pole)

Here the outer lights are shinig through – a window of the inner world
(the nearest Masterchen came to the North Pole)

Die Hohlerdtheorie gibt es genau besehen in zwei Variationen. Die eine, die u.a. von dem französischen Metaphysiker René Guénon vertreten wurde, besagt, dass wir außen auf der Erdkruste leben und im Inneren der Erde sich das Reich von Agarttha befinde, in dem der König der Welt regiert. Nach der anderen Variation leben wir im Inneren der Erde und an den Polen gibt es nach J. Cleves Symmes aus Ohio und dem amerikanischen Religionsgründer Cyrus Reed Teed einen Zugang zur Außenwelt. Die Sonne ist der glühende Kern des Erdinneren, und wir sehen diese feinen Nordlichter, da im Norden die Welt noch ursprünglich ist, also aus Eis, und dünner. Durch das durchsichtige Eis würden Lichterscheinungen der Außenwelt gebrochen und gesehen. Wie das mit den Sternen erklärt wird, konnten wir nicht finden, aber ich Siri Buchfee meine, irgendwo dazu eine Erklärung gelesen zu haben, die jedoch so abwegig klang, dass ich sie gleich wieder vergessen habe.

The hollow earth theory exists in two variations. One is represented by the French esoteric René Guénon. He thinks we – the Bookfayries and you people – live on the outer surface of our earth but in the inside there is the kingdom of Agarttha where the King of the World resides. Following the other idea we actally live in the inside of our earth and at the poles there is the way out – so represented from two US Americans (of course!) J. Cleves Symmes from Ohio and the founder of a religion (!) Cyrus Reed Teed. What we see as the sun is the glow of the inner nucleus of our earth and those northern lights are seen through the ice as in the North our planet is more premordially consisting of ice and thinner anyhow. We couldn`t find how it is explained with seeing the stars but I, the Bookfayrie Siri, remember darkly having found an explanation – but it was so weird that I forgot it immediately.

Is that the glowing centre of the earth? (midnight sun)

Is that the glowing centre of the earth?
(midnight sun)

Diese zweite Variation der Theorie wurde in NS-Kreisen derart ernst genommen, dass angeblich Hitler während des Kriegs Dr. Heinz Fischer nach Rügen sandte, um mit einer Teleskopkamera die britische Flotte zu beobachten, die an der Innenseite der Erdkugel operiert.

The second version of the hollow earth theory was taken that seriously during fascism that reportedly Hitler did sent Dr. Heinz Fischer to the German island of Rügen to watch the British fleet operating on the inside of our earth with a special camera – that was during WW II.

Als Einführung in dieses fragwürdige Thema versteht sich das Buch von Joscelyn Godwin: Arktos. Das Buch der Hohlen Erde (Peinting 1997). In die faschistische Hohlerdtheorie führt anschaulich mit Bildern Miguel Serrano: Adolf Hitler – Der letzte Avatar (zu lesen auf http://www.unglaublichkeiten.com) mit Skizzen ein, obwohl wir unsicher waren, ob wir das anführen sollten. Aber aus historischen Gründen haben wir uns dazu durchgerungen.
You will find an introduction into the hollow earth theory in Jocelyn Godwin: Arktos (1993). If you can stand to be confronted with lots of fascist material and diagrammes concerning this theory have a look at Miguel Serrano: Adolf Hitler – Der letzte Avatar (in German only, on the website http://www.unglaublichkeiten.com).

Wiss. Lit.:
Scientific Literature:

  • Edmund Halley: An account of the change of the variation of the magnetic needle with an hypothesis of the structure of the internal parts of the earth (London 1692)
  • James McBride: Symmes` Theory of Concentric Spheres (1826)

McBride bewegte den amerikanischen Kongress dazu, Gelder für eine Expedition zum Südpol zu bewilligen, um die Öffnung in die innere Erde zu studieren. Die Expedition scheiterte wie viele Polarexpeditionen an einer Meuterei. Sie inspirierte E.A. Poe zu einigen seiner Werke.
McBride got the American Congress to finance an expedition to the South Pole to study the entrance to the centre of the earth. Like so many polar expedition this one found its end because of mutiny. 

Historische Lit.:
History Books (all in German only):

  • Niklas Goodrich-Clarke: Die okkulten Wurzeln des 3. Reiches (Graz, Stuttgart 1997)
  • Rudolf von Sebottendorf: Bevor Hitler kam (München 1933)

Von Sebottendorf, der maßgeblich für die esoterischen Gedanken der NS-Führung verantwortlich war, präsentiert in diesem Buch unter anderem die Idee der Herrenrasse des Nordens.
Von Sebottendorf, who influenced the Nazi-elite with his esoteric ideas, presents the idea of the superrace in this book.

  • Detlev Rose: Die Thule-Gesellschaft (Tübingen 2000)
  • Hermann Gilbhard: Die Thule-Gesellschaft (München 1994)

Fiction:

Wir haben oben im Text nur Bücher angeführt, die wir in Masterchens Bibliothek fanden. Hier ein grober Überblick.
We mentioned only those novels in the text above we found in our Master`s library. Here is a little summary.

  • Ludvik Holberg: Niels Klims unterirdische Reise (1741) – Niel`s Klims Underground Travels
  • Edgar Allan Poe: Arthur Gordon Pym (1838) – Arthur Gordon Pym
  • Edgar Allan Poe: Die Grube und das Pendel (1842) – The Pit and the Pendulum
  • Jules Verne: Reise zum Mittelpunkt der Erde (1864) – A Journey to Centre of the Earth
  • Wladimir Obrutschew: Plutonien (1924) – Vladimir Obruchev: Plutonia
  • Arno Schmidt: Tina oder über die Unsterblichkeit (1955) – not available in English
  • Rudy Rucker: Hohlwelt (1990) – The Hollow Earth
  • Das Computerspiel MYST, wozu Ryan Miller die Myst-Romane (1995) schrieb – MYST (computer game ad books)

Ja, da staunt Ihr genauso wie wir. Unsere alte Feenurgroßmutter sagte in solchen Fällen stets kopfschüttelnd „Was es nicht alles gibt.“ Aber immerhin hat diese Hohlerd-Theorie höchst lesenswerte SF-Literatur hervorgebracht.
Als wir Masterchen eben zeigten, was wir aus seinen Aufzeichnungen gemacht haben, meinte er, dass wir ganz vergessen hätten, die Reise ins Innere der Welt als eine Metapher zu sehen, ja als eine Aufforderung die Reise des Helden anzutreten, um unser eigenes Inneres zu erforschen.
Well, you are amazed, aren`t you? Our old fairie-grandgrandmother used to say: „It`s a funny old world, isn`t it?“ But anyway those theories inspired quite some Sci-Fi-literature worthwhile reading.
When we showed our beloved Master what we have written following his notes he reminded us that the journey to the inside of our earth is a metaphor for the inner journey, the journey down under our consciousness, the journey everyone has do to become him- or herself. 

Mit lieben Grüße von der sonnigen Erdoberfläche
With love from the sunny surface of our earth
Eure liebklugen Buchfeen Siri und Selma 🙂 🙂

All photographs by Klausbernd Vollmar, the cover of Jule Verne`s novel and the picture of Halley are taken from the Wikipedia archives

The Hell

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Das nebligkalte Totenreich oder der Eingang zur Feuerhölle
The cold and foggy realm of the dead or the entrance to the fires of the hell

Wohin auch immer wir reisen, wir suchen, wovon wir träumten, und finden doch stets nur uns
Wherever we travel to, whatever we are seeking for, we always find ourselves

Günter Kunert (German writer)

Uns Buchfeen hat besonders dieser Abschnitt von Masterchens Text verblüfft. Obwohl uns im Feenreich jede Vorstellung einer Hölle fehlt, fanden wir es doch spannend, wie die Menschen von diesem imaginären Ort besessen waren. „Masochistische Gedankengifte!“, meinte Siri. Erstaunlich ist, wie die Hölle mal als kalt und dann als brennend heiß gesehen wurde. Aber in einem imaginären Ort, dessen Vorstellung über Jahrhunderte der Disziplinierung der armen Christenmenschen diente, kann man eben alles hineinsehen, die Hauptsache war, er ließ den Sünder erschauern.

We Bookfayries were very much astonished about this paragraph of our Master`s text. Although we don`t have any concept of hell in our fairy world, we find it fascinating how much human beings have always been obsessed by this imaginary place.  „That`s masochistic, a poisonous way of thinking!“ commented Siri.
Isn`t it amazing how the hell was sometimes seen as cold and sometimes as burning hot? But such an imaginary place, which served for disciplining the poor believers for centuries, is open to every projection. It should frighten the believers, only that was important. 

KÄLTE
COLD

Einer der ältesten überlieferten „Reiseberichte“ vom Norden stammt vom Geografen Pytheas von Massilia (das heutige Marseille). Pytheas (380-310 vor unserer Zeitrechnung) brillierte als genauer Beobachter, der als erster feststellte, dass die Gezeiten vom Lauf des Monds abhängig sind, außerdem geht die Astronavigation auf ihn zurück. Er war es, der den Begriff „Ultima Thule“ nicht nur prägte, sondern auch vorgab, auf seinen Reisen diesen Ort gesehen zu haben. Freilich stellt sich die Frage wie bei allen Reisenden bis zu Marco Polo, welche Reisen er damit gemeint hat – die inneren oder die äußeren? Wie weit Pytheas in den Norden kam, weiß niemand. Sicher ist, dass er die Antike am Norden interessierte. Gebildete kannten damals den Arktoi, den Eisbären, dessen vage Vorstellung man wie die Götter an den Himmel projizierte. Es bürgerte sich ein, das Land unter dem Sternbild des Bären „Arktis“ zu nennen. Sie galt als letzter Außenposten vor dem Abbruch der Welt ins Nichts, wo bekanntlich die Schiffe herunterfallen, wenn sie weitersegelten, nachdem der unselige Kapitän seine Kleider in Panik zerfetzte und sich den Bart ausriss, wie es in arabischen Erzählungen, die klassisches Gedankengut bewahrten, beschrieben wird (z.B. in Tausendundeine Nacht in der Geschichte von Sindbad). Hier fällt der Seefahrer ins Totenreich, das nach antiker Vorstellung ein Ort des kalten Nebels ist, eine eisige Hölle.

One of the oldest journals about travelling North was written by the geographer Pytheas of Massillia (which we call „Marseille“ today).  Pytheas (380-310 B.C.) was a brilliant observer. He was the first one finding out that the tides are depending on the phases of the moon and he established star navigation as well. It was him who coined the phrase „Ultima Thule„. But not only this, he pretended to have seen Ultima Thule on his travels. We Bookfayries ask the question if his were journeys in the outside world or journeys into his inner worlds, a question one could ask all the travellers up to the times of Marco Polo. Nobody knows how far North Pytheas reached. But it was him who raised the interest in the North of the antique world. The educated people of the classic Greece times knew the „Arctoi„, the polar bear, but this was a vague conception that was projected into the heavens like the concepts of the Gods. From those times onwards the area under this constellation of the „Arctoi“ was called „Artic“. The Artic was considered as the last outpost before the end of the world, before that nothingness in which ships would vanish if they sailed further on, when the captain tore his clothes in panic and pulled out his beard like in the tales of Thousandandone Nights which preserved quite some ideas of the ancient classic world. The Artic was the place where the mariner would fall into the realm of the dead which was seen as the place of icy fog, as a cold hell.   

North Svalbard,the geological end of Europe

North Svalbard,the geological end of Europe

Charakteristisch für dieses frühe Bild des Nordens ist, dass das Unbekannte eine Projektionsfläche darstellt, auf der sich Inhalte unbewusster Ängste darstellen. Im Unbewussten sedimentieren Vorstellungen, die sich zu Archetypen kristallisieren, die bis hin zu den eisigen Höllenvorstellungen von Dantes „Göttliche Komödie“ wirkten. Der Norden wurde vom hyperboräischen Paradies zum nebligkalten Ort des Todes, ein Hintergrund, der wesentlich für die Heldenverehrung der Polarforscher speziell im 19. Jahrhundert war (bis diese zur Zeit von Shackletons missglückter Endurance-Expedition vom Kriegshelden verdrängt wurden).

It`s typical for this early picture of the North that the unknown provided a perfect screen for projections of unconscious fears. These concepts crystallized in a kind of archetype of the icy hell as you find it in Dante`s „Divina Comedia“ as well. The picture of the North underwent a change from the Hyperborean paradise to the icy and foggy realm of hell. These ideas are the background of the hero worship of the Artic explorers especially during the 19th c. It did not change before Shakleton`s Endurance expedition to the Antarctic during the first WW when it was replaced by war heroes.

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Pytheas Werk „On the Ocean“ ist verloren gegangen. Wir kennen es nur durch spätere Autoren. Genauer kann sich der interessierte Leser bei Tozer informieren:
H.F. Tozer: History of Ancient Geography (Cambridge 1897)
Pytheas manuscript „On the Ocean“ got lost. We know it only from later authors who mention and quote it. If you are interested you may read more about it in
H.F. Tozer: History of Ancient Geography (Cambridge 1897)

HITZE
HEAT
Lange nach Pytheas entstand im frühen, keltisch geprägten Christentum ein Traum vom Norden, der sich an Brendan (488-578) und sein Seereisen festmacht. Irische Mönche suchten den paradiesischen Ort im Norden, an dem sie ungestört in lieblicher Umgebung Gott nahe seien konnten, und fanden die Hölle.

In early Celtic Christianity, a long time after Pytheas writings, emerged another dream of the North which goes back to Brendan  (488-578) and his sailings up North. Brendan with some Irish monks was looking for a paradise where they could worship God undisturbed in lovely surroundings – but they found hell.

Beerenberg1

The Beerenberg (Bear Mountain) hides in fog what it uses to do for 360 days per year

Im 8. Jahrhundert wurden die Seereisen des Mönchs Brendan unter dem Titel „Navigatio Brendani“ zu einem Seefahrermythos vereint. Freilich wurde dieses Epos erst mehrere Generationen nach Brendan niedergeschrieben. Für ihn war Ultima Thule mit der Hölle verbunden und für Christen war die Hölle ein Ort des Feuers. Brendan will auf seiner wohl eher inneren Reise einen feuerspeienden Berg gesehen haben, der so schrecklich war, dass er für ihn den Eingang zur Hölle darstellte. Das kann der Beerenberg, der nördlichste Vulkan unseres Planeten auf Jan Mayen, gewesen sein, aber er mag auch isländische Vulkane erlebt haben oder von geografisch unspezifischen Träumen seiner Zeit geprägt worden sein.

The accounts of Brendan`s sailings were compiled under the title „Navigatio Brendani“ not before the 8th century, they were written down some generations after Brendan. For Brendan „Ultima Thule“ was close connected with the hell and as he was a Christian hell was a place of fire. Brendan reports of having seen a fire-breathing mountain on his travels far North – and again it is not clear if he speaks of an inner journey or a journey in the outside world. This fire-breathing mountain was for him without any doubt the entrance to hell. If Brendan`s journeys were „real“ he might have seen the Beerenberg, the farthest north volcano of our planet situated on Jan Mayen, or it might have been the Islandic volcanos farther South – or did he imagine all this following the zeitgeist?

The Beerenberg showed itself just for three minutes that day

The Beerenberg showed itself just for three minutes that day

Die an das Feuer gebundene Höllenvorstellung der Christen führte etwa tausend Jahre später bei der Missionierung der Inuit zu völligem Unverständnis. Für die Inuit wurde das wärmende und lichtspendende Feuer durchweg positiv gesehen. Eine christliche Hölle mit Feuer war für sie ein begehrenswerter Ort.

The Christian concept of hell and purgatory caused a total lack of understanding during the proselytisation of the Inuit about a thousand years later. Fire was seen as highly positive by the Inuit as it radiates warmth and light and so they thought of hell as a place to be, a kind of paradise. 

Lit.: Brendan: Navigatio Sancti Brendani (8.Jh.)

Brendan auf See - Brendan at sea. German manuscript from 1460

Brendan auf See – Brendan at sea. German manuscript from 1460

Wenn man in solcher Enge  die See befährt, nimmt es nicht Wunder, dass man von Höllenvorstellungen heimgesucht wird, meinen wir Buchfeen. Uns gefällt bei diesem illuminierten Manuskript der Fisch in der Form des Oroboros-Symbols. Dass hier der Fisch statt die übliche Schlange gewählt wurde, die sich in den Schwanz beißt, geht auf den Fisch als Symbol der Christen zurück, das heute zum Auto-Sticker verkommen ist.
Und wisst Ihr, dass es auch Höllen in Bibliotheken gibt? Ja, da wundert Ihr Euch.  „Kleine Höllen“ – der Fachausdruck lautet „Enfer“ (von L`Enfer die Hölle) – nennt man die Sammlungen pornografischer Bücher in Bibliotheken, Bücher, die bei Masterchen auf Regalbrett 5 stehen. Im Britischen Museum gibt es diese Höllen wie in der Bibliotheque National in Paris. Na, und wo sich die größte Hölle befindet, könnt Ihr Euch sicher vorstellen. Habt Ihr es geraten? Klar doch, in der Bibliothek des Vatikan mit 25.000 Bänden.

If you travel that crowded on a boat we Bookfayries find it quite normal to get ideas of the hell. We like the form of the fish in this illuminated manuscript. That`s the archetypal Oroboros-symbol. Usually it`s the serpent who eats its tail but the fish is chosen because the fish is the symbol for the Christians which you find today as a car sticker.
Do you know that hells really exist? You find them in libraries! The special term is „L`Enfer“ or short „Enfer“, these are the collections of pornography as you find them in the British Museum and the Bibliotheque National at Paris. But we supposed you have guessed where the biggest hell is to be found. Of course in the Vatican with more than 25.000 books.

So, das waren Masterchens Überlegungen zur Hölle. Wir würden nicht mit  J.P. Sartre sagen „Die Hölle das sind die anderen“, sondern „Die Hölle machen wir uns selbst“. Was meint ihr denn dazu? Grade gab uns Masterchen noch ein lustiges Zitat, von dem er leider nicht mehr wusste, woher er es hat: „Hell is the carrot and the stick in the chain letter that is Christian religion“.
These were our Master`s ideas about the hell. We would not say with J.P. Sartre the hell are the other people but „We produce our own hell for ourselves“ – or what do you think? Our Master just gave us a funny quote, unfortunately he has forgotten where he has taken it from: „Hell is the carrot and the stick in the chain letter that is Christian religion“.

Das nächste Mal werden wir über die verrückte Hohlerd-Theorie schreiben, die in der faschistischen Thule-Gesellschaft verbreitet wurde, aber auf die Engländer Sir Isaac Newton und Edmond Halley (dem Kometen-Kerl) zurückgeht. Bis dann, eine rundum feine Woche für euch alle
In our next post we will write about this crazy hollow-earth theory which was spread by the fashistic Thule-society but goes back to Sir Isaac Newton and Edmond Halley – the comet-guy. See you and have a happy week
Siri and Selma, Master`s busy Bookfayries 🙂 🙂

All photography © by Klausbernd Vollmar, the illumination of Brendan is taken from Google archives

  

The North in Literature

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Der Norden in der Literatur

Es sind schon Männer berühmt geworden, weil sie ein Fachgebiet gemeistert haben, dessen Bedeutung von ihren Zeitgenossen noch nicht erkannt worden war. Und ich habe die Literatur über die Arktis gemeistert.

Men became famous because they mastered a field which importance had not been acknowledge by their contemporaries. And I have mastered all literature about the Arctic.

Andrea Barrett, Jenseits des Nordmeers

Der Norden gleicht einer gestaltwandlerischen Frau, die den männlichen Geist mit ihren vielen Gesichtern verführt.
Lese ich über den Norden, verblüfft mich, wie unterschiedlich zu verschiedenen Zeiten der Norden gesehen wurde. Für die alten Griechen war er der unbesuchte Ort, der Paradiesvorstellungen anzog. Als kühne Seefahrer den Rand des Nordens berührten, schlug diese Sicht ins Gegenteil um. Der Norden wurde zur Hölle, zum gefährlichen Ort, der Menschen verschlingt. Der französische Seefahrer Jacques Cartier bezeichnete noch 1534 die arktischen Gefilde als das Land, das Gott Kain zugedacht hat. Als Ort der Extreme provoziert der Norden extreme Sichtweisen: entweder wird er zum gelobten Paradies oder zur menschenfeindliche Hölle.

The North is like an ever changing woman who seduces the male mind with many faces.
I am astonished reading about the North how different different times saw it. For the old Greec it was an unvisited place which attracted paradise-like projections. When brave sailors visited the edge of the North they saw the opposite: The North became hell, the dangerous place devouring people. The French sailor Jacques Cartier called the North „the Land God allotted to Kain“ in 1534. As a place of extremes the North provokes extreme views, either it is see as the promised paradise or as the hostile hell.

skull of a polar bear

The skull of a polar bear

 

Als die ersten Schiffe in den hohen Norden vorstießen, war es die Ausbeutung dieser jungfräulichen Gegend, die raue Burschen aus südlicheren Gefilden anzog. Ihr Blick war von ökonomischer Gier geprägt. Die Menschheit erlebte ihren ersten Ölboom, der mit gnadenlosem Abschlachten der Wale und stinkenden Tranküchen die weltferne Arktis vergewaltigte. Als die Säuger des Meeres abgeschlachtet waren, folgte mit den Trappern die systematische Dezimierung der Säuger des Landes.
Im 19. Jahrhundert und noch bis nach der Eroberung der Pole, war die Arktis das Land, in dem sich echte Kerle bewährten. Sie wurden als die ersten beschrieben, welche die Eiswüsten bezwangen und froh waren, nach ihren Eroberungen schnell wieder nach Hause zu kommen. Zugleich begann man zaghaft gegen Mitte des 19. Jahrhunderts sich für die Bewohner der Arktis zu interessieren und aus wissenschaftlichem Interesse den Norden zu bereisen.

When the first ships reached the far north it was the exploitations of these virgin lands which drew rough guys. Their view was dominated by avarice. The humankind experienced its first oil boom which raped the far away Artic with a merciless killing of whales and smelly cooking of blubber. The trappers arrived when nearly all the mamals of the sea were butchered to kill the mamals of the land.
In the 19th c. and even after the conquest of the poles the Artic was a place where real guys were proving themselves. They were described as the first ones who conquered the ice deserts and being happy to return home swiftly after their adventures. At the the same time the first scientist began tentavely to became interested in the inhabitants of the North (at the middle of the 19th c.) and started to sail North driven by scientific interest. 

An old trap for polar foxes. The bait was placed under those heavy stones which slaied the fox dead.

An old trap for polar foxes. The bait was placed under those heavy stones on the wooden frame which slayed the fox dead.

 

All diese Betrachtungsweisen leben in unserem heutigen Bild des Nordens fort. Sie finden ihren Niederschlag im Literarischen und den Sachbüchern über die Arktis, die seit Ende des zwanzigsten Jahrhunderts als idealisierter Ort der letzten Wildnis „in“ ist. Selbst die moderne Werbung nutzt die Faszination der Polargebiete, wenn sie textet: „Peary entdeckte den Nordpol, Amundsen den Südpol. Und ich bin die offizielle Entdeckerin des Ruhepols“ (Werbung für die Zeitschrift „mein schöner Garten“, Juni 2008).
In der Wahrnehmung der Inuit bezieht sich jede Landschaftsformation auf eine mythologische Geschichte. Landschaft und Mythos sind untrennbar mit einander verbunden. Die Landschaft bietet ein kollektives Gedächtnis und ist so nicht nur eine geografische, sondern auch eine psychologische Orientierungshilfe.

Als these approaches survived in our contemporary view of the North. You find them in fictional and non-fictional books about the Arctic which is in as the idealised place of the last wilderness since the the end of the 20th c. Even modern advertisment uses the fascination of the North by texting „Peary discovered the North Pole, Amundsen discovered the South Pole, and we discovered the Resting Pole“ (A German advertisment for a garden Magazine, June 2008).
In the perception of the Inuit every feature of their landscape is related to a mythological tale. Landscape and myth are inextricably connected. The landscape provides a collective memory and is not only a geographical but also a psychological guidance.

Johansen and Nansen leaving to the "Farthest North".

Johansen and Nansen leaving to the „Farthest North“.

 

Die kanadische Forscherin Sherrill Grace ist dem Konzept des Nordens in Kunst, Literatur und Geschichtsschreibung nachgegangen. Sie beschränkte sich zwar auf das arktische Kanada, aber was sie über den Wandel dieses Nordbildes aussagt, gilt weitgehend für die gesamte Arktis (Sherrill Grace: Canada and the Idea of the North, McGill University Press, Montreal 2001). Auch der britische Archäologe Robert McGhee stellt scharfsinnig dar, was unterschiedliche Zeiten auf „Ultima Thule“ projizierten und wie Landschaft und Wahrnehmung zusammenhängen (Robert McGhee: Human History of the Arctic World, Oxford University Press, Oxford 2005).
Grace ist weitaus spezifischer als McGhee, dessen Beobachtungen oft im Abstrakten bleiben. Er wollte eine Besiedlungsgeschichte der Arktis vorlegen, was ihm bis ins Detail gelungen ist.

The Canadian scientist Sherill Grace researched about the concept of the North in art, literature and history. All she is writing about the changes of our concepts of the North applies to the whole Arctic although she constricts her research to Arctic Canada (Sherrill Grace: Canada and the Idea of the North, McGill University Press, Montreal 2001). The British archeologist Robert McGhee also describes sharp-sighted what different times used toproject on „Ultima Thule“ and how landscape and perception are connected (Robert McGhee: Human History of the Arctic World, Oxford University Press, Oxford 2005).
Grace is more specific than Ghee whose reflection are often quite abstract. Ghee`s aim was to document the history of colonisation of the the Arctic and he succeeded even in minute details. 

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Walruses (Svalbard) – they were hunted for ivory

 

Warum interessiert sich ein „Südländer“ für das Bild des Nordens?
Beweisen nicht die Urlauberströme, dass der Süden der Ort des Glücks ist? Der Mitteleuropäer strebt zur Sonne und Wärme, als folge er dem kommunistischen Lied „Brüder zur Sonne, zur Freiheit …“. Dennoch gibt es eine wachsende Zahl von Nordland-Enthusiasten, die jenseits der Massen, elitär im Eis ihr Paradies suchen. Das erinnert an die Nordmänner bei ihrer Besiedlung Grönlands. Damals wie heute suchte man dicht besiedelten Gegenden zu entkommen und sich in menschenleerer Weite zu bewähren. Wie die Nordmänner ihr Paradies erlebten und wie es endete, wird anschaulich in Jane Smileys umfangreichen Grönland-Roman beschrieben, der das Leben dreier Generationen von etwa 1345-1415 beschreibt (Jane Smiley: Die Grönland Saga, Frankfurt/M. 1992).

Why is someone from the South interested in the North?
Do not prove the streams of tourists that the South is the happy place? People from central Europe are striving for the sun and warmth as they would follow the communist anthem „Brothers, to the sun, to the freedom, brothers get up to the light …“ Although there are a rising number of North-enthusiasts who far away from the masses look in a elitist way for their paradise.  They equal the Norsemen in their colonising Greenland. Back then as today one tried to escape densely populated areas and to prove onself in the unpopulated wilderness. How the Norsemen experienced their paradise and how it ended you can read in Jane Smiley`s colorful Greenland-novel which pictures the life of three generations between 1345 – 1415 (Jane Smiley: The Greenlanders, New York 1988).

Ittoqqortoormiit (NE Greenland) - an isolated "village" of hunters. Dog sledges in the foreground.

Ittoqqortoormiit (NE Greenland) – an isolated „village“ of hunters. Dog sledges in the foreground.

 

Die Arktis lässt uns Eiszeit assoziieren. Sie erzeugt Bilder vom „einfachen“ Menschen, die in einer hochkomplexen Gesellschaft idealisiert werden. Darauf beruht die Ethno-Mode, die den Iunuit als „letzten Wilden“ entdeckte. Wie sich die Vorstellung der Eiszeit gegen enorme Widerstände im 19. Jahrhundert verbreitete, stellt Edmund Blair Bolles unterhaltsam und faktenreich dar (Edmund Blair Bolles: Eiszeit, Frankfurt/M. 2003). Er beschreibt unter anderem, wie Louis Agassiz die Idee der Eiszeit verbreitete. Als diese Vorstellung akzeptiert war, wurde sie von der Volksmeinung mit unseren Ururahnen a la Familie Feuerstein bevölkert, mit primitiven Jägern einer Kulturstufe, der sich der viktorianische Mensch überlegen fühlte und von der er zugleich angezogen war. Eine Gesellschaft, die triebhafte Instinkte verdrängte, brachte Freuds Psychoanalyse wie die Faszination am Wilden hervor, die stets auch sexuelle Untertöne besaß. Wer hat nicht vom Frauentausch der Inuit gehört, der ähnlich erregte, wie die Schilderungen von Cooks Seeleuten über die willigen Südsee-Insulanerinnen?
Dass viele Forschungsreisenden in der Arktis Kinder zurückließen, wird in wenigen Werken erwähnt. Der Amerikaner Peary lieh sich z.B. über lange Zeit die schöne Eskimofrau Aleqasina aus, mit der er nicht nur zwei Kinder zeugte, sondern auch Nacktfotos im Pin-up Stil aufnahm (Vgl. dazu die Biografie von Otto Emersleben: Robert Edwin Peary, Berlin 1991). Selbst der rassistische Eskimologe Vilhjalmur Stefansson hinterließ seinen Sohn Alex in der Arktis, den er mit der Inuk-Näherin Pannigabluk gezeugt hatte und um den er sich nie kümmerte.
Neben dem Zauber der enthemmten Inuitfrauen faszinierte andere Reisende die Freuden einer reinen Männergesellschaft, obwohl über homoerotische Freundschaften nie bei den Forschungsreisenden zu lesen ist, obwohl man sich freudig in einem Schlafsack aneinander wärmte.
Ein arktisches Buch zu lesen, verspricht also nicht nur ein spannendes Abenteuer, sondern auch Aufregung und eine latente Erotik.

The Artic provokes the assoziation ice age. It produces pictures of  simple men who are idealized in a highly complex society. This is the basis of ethno-fashion which discovered the Inuit as the last savage. How the concept of an ice age became accepted after fierce oppositions during the 19th c. is brillantly and entertainingly documented by by Edmund Blair Bolles (The Ice Finders: How a Poet, a Professor, and a Politician Discovered the Ice Age, 2000). He describes the problemLouis Agazzis had to get his idea of an ice age accepted. When it was done it was peopled with a kind of family flint-stone characters by the common readers, with primtive hunters on a level the Victorians felt far above but at the same time felt drawn to. A sexual repressive society produced Freud`s psychoanalysis as well as the fascination of the „savages“ which always had sexual undertones. Who hasn`t heard of the Inuit exchanging women? This was equally exciting as the desciption of horney women of the South Sea by Cooks sailors.
That  quite some Arctic explorers left children behind is hardly ever mentioned in the literature. The American Peary borrowed the beautiful Inuit woman Aleqasina for quite some time. He did not only produced two children with her but also used her as a model for pin-up-style pictures. Even the racist anthropologist Vilhjalmur Stefansson left Alex behind, a sun he had with the Inuit women Pannigabluk. Needless to say, he never cared for Alex.
Besides the uninhibited Inuit women other explorers were fascinated by the joys of a group of men only. But one doesn`t read a word about homoerotic friendship although one liked to warm each other in one sleeping bag.
Reading a book about the Arctic does not only provides one with tales of adventure and tension but with exitement of latent erotic as well.       

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Publikationen von arktischen Reisen dienten zunächst durch die Verbreitung von Information der Erforschung dieser Gegenden, von denen man sich wirtschaftlichen Erfolg versprach. Ende des 18. Jahrhunderts kommt mit Samuael Hearnes Buch about Nordkanada (1795) und Mungo Parks Bericht von seiner Afrika-Reise (1799) die unterhaltsame Literatur über die Erforschung unbekannter Länder auf, in deren Tradition noch Nansens Bestseller „In Nacht und Eis“ steht. Dieses Buch kann man gemütlich im Bett seinem Partner vorlesen. Es ist ein Buch der Hingabe an die Naturkräfte, eines sich Auslieferns, wie Nansen es ausdrückte, ein Buch, das S. Freud seiner Kindern als Nachtgeschichte vorlas.
Im 19. Jahrhundert diente die Literatur über die Arktis zunehmend nationalem Interesse. Es ging darum, welche Nation wie weit in den Norden vordrang – eine Potenzprotzerei des „je tiefer, je besser“. Heute beherrscht die berechtigte Sorge um den Klimawandel das Interesse von Wissenschaftlern und Laien an den Polargebieten.

Publications of journeys to the Arctic served first of all the distrubution of information of an area which promised an economical success. Samuel Hearne`s explorations of N Canada (1795) and the records of Mungo Park (1799) about his African adventures started an entertaining literature about unknown areas. Still in this tradition F. Nansen wrote his bestseller „Farthest North„, a book about surrender to the powers of nature which S. Freud read to his children as bed time strories.
During the 19th c. the literature about the North served more and more national interest. It was important which nation reached how far North – one see this as a potency complex following the idea „the deeper the better“. The interest in the polar regions is nowdays dominated by the legitimate worry about global warming.

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Our Master far North

Man glaubt es kaum, endlich haben die Esoteriker den Norden und somit den grönländischen Schamanismus für sich entdeckt. Freilich beschäftigten sich bereits führende Esoteriker des deutschen Faschismus mit dem Norden (Thule Gesellschaft und ihre Hohlerd-Theorie), ohne jedoch den dort praktizierten Schamanismus zu beachten. Besonders erfolgreich vermarktet sich der grönländische Schamane Angaangaq, der gefühlskalten Europäern die Herzen mit „icewisdom“ erwärmt (Angaangaq: Schmelzt das Eis in euren Herzen! München 2010).
Wesentlich anmutiger und mit französischem Charme widmet sich der Erfolgsautor und Psychiater Francois Lelord dem Thema Inuit zugleich mit zwei Büchern (Hector und die Entdeckung der Zeit, München 2006 und Das Durcheinander der Liebe, München 2008). Spannend fand ich in „Hector und die Entdeckung der Zeit“ die unterschiedliche Zeitauffassung der Inuit, die schon den ersten Forschern auffiel. Amüsant sind die Erlebnisse des Inuit Ulik, der von einer Ölgesellschaft zu Werbezwecken nach Paris eingeladen und dort mit der europäischen Auffassung der Liebe konfrontiert wird. Einige seiner Erfahrungen im Norden hat übrigens auch unser Master in seinem Roman „Tantes Tod“ verarbeitet, in dem es in einigen Kapiteln um die Pläne der Ölmaffia in Grönland geht. Neugierig geworden? Die ersten 30 Seiten könnt ihr hier lesen. Viel Spaß!

At last the mytics discovered the North and the shamanism of Greenland. That`s not entirely new because leading mystics of the German fascists were already highly interested in the North, especialy the Thule-Society. But they followed the ideas of the hollow-earth-thery and weren`t interested in shamanism. It is Angaangaq, a shaman from Greenland, who successfully put on the esoteric market his „icewisdom“, which melts the hearts of cool Europeans.
The French bestseller author and psychiatrist Francois Lelord writes much more nifty and funny in two of his novels (Hector and the Discovery of Time and The Chaos of Love) about the Inuit way of life. In his novel about the time he points out how the concept of time in the Inuit society differs from our idea of time. Funny are the adventures of the Inuk Ulik in his second novel who was sent by an oil drilling company to Paris for advertisment reasons. There he is confronted with the European concepts of love and sex.
Our Master did write the novel „Tantes Tod“ (Death of an Aunt – unfortunately in German only) in which some of the action takes place in Svalbard and Greenland. If you read German just have a look into the beginning (the first 30 pages) here.   

Mit eiskalten Grüßen 😉
Greetings from
Siri und Selma, die munteren Buchfeen

Weitere Artikel auf diesem Blog zum Thema Arktis:
More posts about the Arctic on our blog:

und auf Dinas Blog – The World According to Dina:
and on Dina`s blog „The World According To Dina“:

All pictures by Klausbernd Vollmar except the Johansen-Nansen-photograph (Google archives) and that of our Master is taken by Monika Obser.

Ultima Thule

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Ultima Thule – das Paradies des Nordens
Ultima Thule – The Paradise of the North

Gemälde des Malers Church (1865)

Gemälde des Malers Frederic Edwin Church (1865)

I tried in vain to be persuaded that the pole is the seat of frost and desolution; it ever presents itself to my imagination as the region of beauty and delight.

 Vergeblich suchte ich mich zu überreden, der Pol sei der Ursprung des Frostes, der Trostlosigkeit. Stets bietet er sich meiner Vorstellung als ein Ort der Schönheit, der Freude an.
Mary Shelley, Frankenstein

Die griechische Klassik vermutete in der Arktis den Wohnort der Hyperboreer, jener glücklichen Menschen, die jenseits der Höhlen wohnten, von denen Boreas, der Nordwind, wehte. Das Land dieses Volkes wurde als paradiesisch gesehen. Da zu dieser Zeit keiner der südlicher wohnenden Menschen den hohen Norden gesehen hatte, diente Ultima Thule, wie der äußerste Norden genannt wurde, als Projektionsfläche für verwegenste Vorstellungen. Reisende, die vorgaben, in diese Bereiche vorgedrungen zu sein, erzählten bizarre Geschichten von einer Anderswelt, die märchengleich ihr Publikum faszinierten. Eine der beliebtesten Geschichten war die der vier Flüsse, die am Nordpol in einen Abgrund stürzen, eine Annahme, die noch Mercators Weltkarte prägte.

The classic Greek writers supposed the Arctic to be the home of the Hyperboreans, those happy folks living beyond the caves from which Boreas, the northerly winds are blowing. The land of these happy people was seen as paradise. No man from the South had seen Ultima Thule, the highest north, at this time which was therefore the ideal screen for boldest projections. Explorers who pretended to have seen the highest North told bizzare tales about an otherworld which fascinated their audience. One of the most liked tale was that of the four rivers which fall into an abyss at the North Pole, a presumption which formed Mercator`s famous map of the world

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Das Land der Hyperboräer wird durch Berge vor kalten Winden geschützt, so dass in ihm ewiger Frühling herrscht und das ganze Jahr hindurch Früchte reifen. So nahmen es die griechischen Dichter Hesiod (um 700 v. Chr.) und Homer an und prägten die Vorstellung vom eisfreien Polarmeer, die noch der deutsche Geograf August Petermann im 19. Jahrhundert vertrat. Der erfolgreiche Walfänger Scoresby von Whitby war einer der wenigen, die sich skeptisch äußerten.

The lands of the Hyperboreans was sheltered from cold winds so that all the year round there was spring and all the fruits were ripening. At least that thought the Greek poets Hesiod (about 700 B.C.) and Homer and so they coined the idea of an ice free polar ocean, an idea which was believed by German geographer August Petermann and many others in the 19th c. still. One of the most successful English whalers, W. Scoresby from Whitby, was one of the few skeptics. 

Inland Svalbard

Inland Svalbard

Die realitätsferne Idee der edlen Hyperboräer überlebte lang. In Friedrich Nietzsches Philosophie treten die „neuen Hyperboräer“ auf (in seinem Essay „Der Antichrist“ von 1895), die eisgetesteten und kältegestählten Männer, die dem Ideal des viktorianischen Forschungsreisenden oder dem des Übermenschen entsprachen und die uns wieder in nationalsozialistischen Vorstellungen von der Herrenrasse im Norden begegnen. Sie erscheinen in der Gestalt von Forschern, den bärtigen Ehrgeizlingen mit Frostbeulen, die mit größter Willenskraft einem Schneesturm trotzen.

This idea of a warm polar sea and the noble Hyperboreans was long surviving. In the philosophy of Friedrich Nietzsche you find the „new Hyperboreans“ (in his essay „The Anti-Christ“ from 1895), ice tested and cold proved men who were the ideal of the Victorian explorers or the supermen as we find them in the fascistic conception of a superrace of the North. Those men appear as hardy explorers, ambitious fellows with wild beards and frostbites, who withstand with huge willpower every blizzard.

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This place in the inner Scoresby Sound/NE Greenland is called „The Church“

In Derek Hayes historischem Atlas der Arktis kann man blätternd anschaulich den Wandel des Bildes vom hohen Norden nachvollziehen.
If you want to see the changes of our concept of the Arctic regions have a look at
Derek Hayes: Historical Atlas of the Arctic (Douglas & McIntyre, Vancouver 2003)

Wer die deutsche Sprache vorzieht, dem bietet folgendes Buch ähnliche Informationen.
The following book provides similar information in German
Dreyer-Eimbeck, Oswald: Island, Grönland und das nördliche Eismeer im Bild der Kartografie seit dem 10. Jahrhundert (Wiesbaden 1987)

Wer sich für das Bild der Arktis in der Kunst interessiert, findet auf dem Blog von Susanne Haun speziell in den Kommentaren weitere interessante Auseinandersetzungen (z.B. über die künstlerische Darstellung von Eis).
Those who are especially interested in our projections onto the Arctic will find discussions on the blog of Susanne Haun – in the commetaries about how to paint and draw ice (but in German only).

NACHTRAG
ADDENDUM

Wir Buchfeen verraten euch kühn ein Geheimnis von Masterchen und Dina: Masterchen schrieb einen ellenlangen Artikel über den Norden als Geschenk für die liebe Dina, die ihm gaaanz viele Bücher über den Norden besorgt hatte. In diesem Blog stellen wir gekürzte Auszüge daraus dar. Wir werden weitere Posts dazu folgen lassen – z.B. zum Wandel des Nordbilds vom späten Mittelalter bis heute, erotische Projektionen auf die Inuit, Ultima Thule als Tor zur Hölle, die Arktis als Ort, der Helden schafft und einige Aspekte mehr. Hinter diesem Manuskript, das wir in Dinas Schublade unter ihren weißen Hemdchen fanden, verbirgt sich etwas Besonderes: Masterchen weckte nämlich in Dina, die in Deutschland lebt, die Liebe zu ihrer Heimat, eben den Norden, wie Dina Masterchen dazu brachte, seine Liebe zu Deutschland zu entdecken, wo er geboren wurde, aber die kürzeste Zeit seines Lebens lebte. Ist das nicht verrückt: Ein Deutscher weckt in einer Norwegerin u.a. mit diesem Text ihre Liebe zum Norden, wie eine Norwegerin einem Deutschen sein Land nahebringt?!

We, the Bookfayries, have to tell you a secret, a secret of our dear Master and our beloved Dina: Our Master wrote an incredibly long text about the North as a gift for Dina because she provided him with many, many books about the North. With this post we present you an abridged excerpt from this text. Some more articles will follow, if you are interested,  like the erotic projections on the Inuit, Ultima Thule as the entrance to hell, and the Arctic as a place creating heroes. There is a funny story concerning Master`s gift to Dina, which we found in Dinas drawer under her white vests. Our Master triggered in Dina, who is living in Germany, her love for the North, her homelands, as Dina triggered in our Master his love for Germany, where he was born but lived the shortest time in life. It needed a German and this gift to make a Norwegian love her country as it needed a Norwegian to make a German love his country – absurd, isn`t it?!

Fata Morgana

An arctic Fata Morgana caused by the reflections of islands some hundred sm away. Such atmospheric inversions tricked quite some explorers.

Liebe Grüße
Love

the happy Bookfayries Siri and Selma 🙂 🙂

All photographs are taken by Klausbernd Vollmar on various expeditions to Greenland, Jan Mayen, and Svalbard. The reproduction of the painting of F. E. Church is taken from the Google-archives.

All you knead is bread

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„Brot hat dieselbe Symbolkraft wie Feuer, und das rückt es in den Mittelpunkt des Lebens.
So wie das Feuer naturgemäß in der Mitte eines Lagers brennt, so steht das Brot stets mitten auf dem Tisch. Das eine wie das andere erfordert sorgfältige Vorbereitungen, trägt in der natürlichsten und einfachsten Form zum Überleben bei und verschafft ein Vergnügen, an dem alle teilhaben.
Feuer und Brot. Wo wären wir ohne sie?“

Nicolas Vanier „Das Schneekind“

Bread has the same symbolic power as fire, it forms the centre of life.
Bread is always placed in the middle of the table as the fire is burning naturally in the middle of the camp. Both, fire and bread, need careful preparations, they help in a easy and natural way to survive, and produce a shared joy.
Fire and bread. Where would we be without them?

Nicolas Vanier „The Snowchild“ (I couldn`t find a English Translation, it seems to be available in French and German only)  

Das Schneekind von  Bjarni Bjarnason, Photo: Hanne Siebers

Heute muss ich mir mal wieder meinen Platz am Computer erkämpfen, sonst bloggen meine Buchfeen nur noch.

Now I have to fight for my place at the computer otherwise all blogging is done by my busy Bookfayries.

Der französische Abenteurreisende Nicolas Vanier schrieb mit „Das Schneekind“ einen hervorragenden Reisebericht, der auch verfilmt wurde. Ich las mit Begeisterung diesen ergreifenden Text über die Abenteuer einer Familie auf ihrem Weg von Kanada nach Alaska in abgeschiedenster amerikanischen Arktis. In diesem Buch der Reise zuerst zu Pferd und nach dem Bau einer Blockhütte per Hundeschlitten wird dem Leser eine große Liebe zur Natur vermittelt. Vanier kann gut schreiben, das Buch liest leicht. Er ist ein Bewunderer Jack Londons, was ihn wohl davor bewahrte, die Natur zu idealisieren. Der Text, der viel mehr als ein Reisebericht ist, berührt auch deswegen, da ein kleines Mädchen die Wildnis erlebt, in der es sprechen lernt.
Buch und Film über das Leben im Einklang mit der Natur sind jedem „Naturfreak“ zu empfehlen. Ich finde es ebenbürtig mit Henry Thoreaus „Walden“.

Hier gibt’s wunderbare Eindrücke von Nicolas Vaniers Leben im Eis.

The French adventurer Nicolas Vanier did write an excellent book about his journey with his family in the American North which is filmed as well. I read that moving text of the expedition from Canada up to Alaska right through one of the most isolated areas of the American Arctic in one go. I did travel with them first on horse back and after building a log cabin and waiting for ice with a dog sledge. The book is well written, very moving, and exciting. As Vanier admires Jack London he never idealises nature naively but nevertheless radiates a feeling of a deep connection to nature. Besides the description of nature this book is moving because it documents how a little girl experiences wild nature and how she learns to speak there.
I recommend this book to every „naturfreak“. For me it is equal to Henry Thereaus „Walden“ concerning a living in harmony with nature.

Dina, unsere Buchfeen und ich finden wie Vanier gutes Brot wesentlich in unserem Leben und auch bei uns hat es in der Mitte des Esstisches seinen Ehrenplatz. Ich backe das schwerere Alltagsbrot mit Sauerteig; Bilder davon und das Rezept bloggte ich ja bereits. Dina backt nach irischem Originalrezept ein leichteres Sodabrot zum Frühstück, das entweder warm gegessen wird oder auch getoastet werden kann. Ihr seht es auf dem letzten Bild. Das Rezept stammt von Joan O´Malley, einer direkten Nachfahrin der erfolgreichen irischen Piratin Grace O´Malley (1530-1603), die „Granuaile, the Pirate Queen“ genannt wurde.

Dina, our beloved Bookfayries Siri & Selma, and me like a proper bread as Vanier does. It has its honorary place in the middle of our dining table as well. I bake a dark „everyday bread“ with sourdough. I blogged recipe and pictures quite a while ago. Dina bakes a light soda bread following an Irish recipe. This white bread is ideal for breakfast, can be eaten either warm or cold and can be toasted too. You see the loaf on the last picture here. The recipe was given to us by Joan O´Malley, a decendant of the successful Irish pirate Grace O´Malley (1530-1603) called Granuaile, the Pirate Queen.

“To each other, we were as normal and nice as the smell of bread. We were just a family.”

John Irving , „The Cider House Rules“

Dies ist ihr (halb geheimes) Rezept, das von Dina und mir leicht abgewandelt wurde:
That`s Joan`s half secret recipe, well, with some little Variation by Dina:

No Kneading Soda Bread

500 gr. of plain flower – it works with self raising flower even better
1 tsp. of salt
1.5 tsp. of natron/baking soda
1 tsp. of sugar
1 pt. (~ 500 ml) of buttermilk

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Sieve all ingredients except the buttermilk into a bowl. Mix them and add buttermilk to make a soft dough. Knead quickly and lightly because too much and too long kneading will toughen the bread. Form a round loaf and place it on a lightly flowered baking tin. Cut a cross in the top with a flowered knife. Place the dough immediately (!) in the pre-heated oven of 180 degrees C for about 40 min. Wrap the baked loaf in a tea towel while cooling otherwise the crust gets too hard.

Der Vorteil dieses Brots ist: Es benötig nur etwa fünf Minuten, den Teig herstellen, dann ab in den Ofen und nach 40 Min. ist es fertig und kann gleich gegessen werden im Unterschied zu Hefe- und Sauerteigbroten, die erst auskühlen müssen.

It is the advantage of this bread that it takes just 5 min. to prepare the dough and after 40 min. it`s ready for eating. Different to bread made with yeast or sour dough you can eat soda bread warm.

Soda Bread

Soda Bread

Guten Appetit 🙂
Enjoy!

Mit herzlichen Grüßen
Greetings from the small village next the big sea
Klausbernd

Herzlichen Dank, liebe Joan für das Rezept und liebe Dina für die Fotos.
Many thanks to Joan for the recipe and to Dina for the photographs.

Reise ins Eis – 1. Teil

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Du möchtest wissen, welchen Längengrad und Breitengrad ich inzwischen erreicht habe; ich habe keine Ahnung, was Längengrade und Breitengrade sind, doch diese zwei Wörter klingen so imponierend
Lewis Carroll, Alice im Wunderland

In meiner Bibliothek oben an der Tür zum Schlafzimmer stehen eigene Werke. Ein langes, sich leicht biegendes Regalbrett meiner Tagebücher ist überfüllt. Ich schreibe täglich Tagebuch, eine Gewohnheit aus fernen Zeiten, als meine weise Analytikerin mir es empfahl. Auf Reisen benötige ich dringend mein Tagebuch, das ich im Rucksack stets griffbereit zusammen mit einem Bleistift trage. Zu verweilen, zu schauen und zu schreiben ist für mich das Höchste und wenn noch ein Drink bereit steht, wird es paradiesisch.

Ich präsentiere euch hier Auszüge aus meinem Arktischen Tagebuch, dessen gebundenes Manuskript hinter mir in der Eisecke meiner Bibliothek steht. Dieses bebilderte Tagebuch habe ich mit der Hand geschrieben, da das ebenfalls ein Luxus für mich ist, und weil bei den niedrigen Temperaturen und kaltem Spritzwasser die Akkus der Smartphones oder Notebooks sich vor Schreck entladen.
Mir fiel auf, dass ich per Hand anders schreibe als mit der Tastatur. Meine Texte werden altertümlicher, was ich zuerst an einer Oberflächlichkeit lächelnd erkannte. Per Hand schreibe ich die alte Rechtschreibung. Aber zurück zu meinen Reisetagebüchern, die literarisch zu gestalten mir die Form in der Fremde gibt. Und so beginnt mein Arktisches Tagebuch:

Der erste Satz extra noch mal für Dinas Foto geschrieben 😉  Sie sammelt nämlich erste Sätze

Vorfreude

52.59 Grad N, 1.03 Grad E, 26 Grad, Windstärke 3 Bf N, klare Sicht

“Die ständig sich ändernde Farbe des Meeres beschäftigt das Auge, beruhigt den Geist und vertieft das Denken. Nie gelang es mir, die Farbe des Meers in Wort oder Bild zu fassen. Ich wohne an der nordischen See. Stehe ich am Strand und schaue hinaus über die Wellen, könnte ich das polare Eisschelf sehen, wäre die Erde nicht rund, die Luft zu dicht und meine Augen zu schwach. Das, was man nicht sieht, zieht einen hinweg.”

Die See wird allen neue Hoffnung bringen, so wie daheim der Schlaf die Träume bringt.“ Dieser Ausspruch wird Christoph Columbus zugesprochen. Also heuerte ich hoffnungsvoll an, wenn auch die Heuer ausblieb, dafür die Ehre von der Expeditionsleitung betont wurde. Wohin die See uns trug, seht ihr auf der Karte unten

Die Zeichnung stammt von Moni Obser, der Expeditionszeichnerin, und wurde im Stil alter Karten der Arktis gezeichnet

Dieses Tagebuch handelt von der Wahrnehmung einer uns Mitteleuropäern fremden Landschaft. Je fremder uns eine Weltgegend anmutet, desto anfälliger wird sie für unsere Projektionen.
Verschiedene Menschengruppen nehmen die Landschaft unterschiedlich wahr. Die Augen des Biologen erkennen anderes als die des Geologen, des Jägers, des Touristen und des Umweltschützers. Genau betrachtet, befindet sich jeder in einer anderen Landschaft, die von seinen Vorstellungen, Erwartungen und Gewohnheiten geprägt wird. Beachten wir die historische Dimension, werden die Unterschiede der Sichtweise noch deutlicher. Der mythologisch geprägte Blick eines Brendan sah im 6. Jh. in der Arktis das Tor zur Hölle, der begehrliche Blick wikingischer Kolonisten des Mittelalters sah Grönland als grünes Land der Hoffnung, während im Faschismus der Norden der Ort war, aus dem der Übermensch aus dem Erdinneren hervortritt, um die Welt zu retten. Ihrer elitär-rassistischen Sicht des Landes der Heroen steht der sorgenvolle Blick des heutigen Umweltschützers gegenüber, der in der Arktis allerorten den Verfall erblickt.

Typisch hocharktische Landschaft – unten links ein kalbender Gletscher, die weißen Pünktchen auf dem Wasser des Fjords sind beachtliche Eisberge

Der Norden gleicht einer gestaltwandlerischen Frau, die den männlichen Geist mit ihren vielen Gesichtern verführt. Lese ich über den Norden, verblüfft mich, wie unterschiedlich zu verschiedenen Zeiten der Norden gesehen wurde. Für die alten Griechen war er der unbesuchte Ort, der Paradiesvorstellungen anzog. Als kühne Seefahrer den Rand des Nordens berührten, schlug diese Sicht ins Gegenteil um. Der Norden wurde zur Hölle, zum gefährlichen Ort, der Menschen verschlingt. Der französische Seefahrer Jacques Cartier bezeichnete noch 1534 die arktischen Gefilde als das Land, das Gott Kain zugedacht hat. Als Ort der Extreme provoziert der Norden extreme Sichtweisen: entweder wird er zum gelobten Paradies oder zur menschenfeindliche Hölle. Als die ersten Schiffe in den hohen Norden vorstießen, war es die Ausbeutung dieser jungfräulichen Gegend, die raue Burschen aus südlicheren Gefilden anzog. Ihr Blick war von ökonomischer Gier geprägt. Die Menschheit erlebte ihren ersten Ölboom, der mit gnadenlosem Abschlachten der Wale und stinkenden Tranküchen die weltferne Arktis vergewaltigte. Als die Säuger des Meeres abgeschlachtet waren, folgte mit den Trappern die systematische Dezimierung der Säuger des Landes. Im 19. Jahrhundert bis nach der Eroberung der Pole, war die Arktis das Land, in dem sich echte Kerle bewährten. Sie wurden als die ersten beschrieben, welche die Eiswüsten bezwangen und froh waren, nach ihren Eroberungen schnell wieder nach Hause zu kommen. Zugleich begann man zaghaft gegen Mitte des 19. Jahrhunderts sich für die Bewohner der Arktis zu interessieren und aus wissenschaftlichem Interesse den Norden zu bereisen. Alle diese Betrachtungsweisen leben in unserem heutigen Bild des Nordens fort. Sie finden ihren Niederschlag im Literarischen und den Sachbüchern über die Arktis, die seit Ende des zwanzigsten Jahrhunderts als idealisierter Ort der letzten Wildnis “in” ist. Selbst die moderne Werbung nutzt die Faszination der Polargebiete, wenn sie textet: “Peary entdeckte den Nordpol, Amundsen den Südpol. Und ich bin die offizielle Entdeckerin des Ruhepols” (Werbung für die Zeitschrift “mein schöner Garten”, Juni 2008).
In der Wahrnehmung der Inuit bezieht sich jede Landschaftsformation auf eine mythologische Geschichte. Landschaft und Mythos sind untrennbar mit einander verbunden. Die Landschaft bietet ein kollektives Gedächtnis und so nicht nur eine geografische, sondern auch eine psychologische Orientierungshilfe.

Das arktische Tagebuch (für alle Bilder: draufklicken = groß)

George Berkely bemerkte bereits in den ersten Tagen des 18. Jh., es gibt keine objektive Wahrnehmung. Theoretisch ist das dem gebildeten Reisenden bewusst, praktisch meint er jedoch, Realitäten zu erblicken. Wird der Blick auf die Landschaft sich seiner Subjektivität bewusst, öffnet er sich dem künstlerischen Schaffen. Sie haben in diesem Sinn soeben in einer subjektiven Beschreibung der Arktis zu lesen begonnen. Möge es Ihnen Freude bereiten.

Der erste Blick am Morgen: vereinzelte Eisschollen. Aus dem Bullauge sehe ich eine das Meer beleckende Gletscherzunge. Hektisch schraube ich das Bullauge auf, fotografiere auf nüchternen Magen. Nun weiß ich, dass ich in der Arktis bin.

Aus meiner Kabine…

Die Arktis ist Eis. Kein anderes Medium gestaltete das Gesicht unserer Erde so tiefgreifend, so langanhaltend wie das Eis. Der Schweizer Glaziologe und Exzentriker Louis Agassiz nannte es einst „die große Pflugschar Gottes“.
Soweit zur Landschaft, aber was nutzt die schönste Landschaf, wenn die Gefährten stören?

Gruppenreisen sind mir ein Gräuel. Aber wie komme ich anders in die Hoch-Arktis? In der Not habe ich mich einer kleinen wissenschaftlichen Expedition von zehn Wissenschaftlern und fünf interessierten Laien angeschlossen. Diese Gruppe bereitet mir kein Grummeln im Bauch, da uns alle ein Erkenntnisinteresse verbindet und wir erstaunlich homogen sind, obwohl wir acht verschiedenen Nationen angehören. Mit solch einer Gruppe zu reisen, hat den Vorteil, dass Wissenschaftler liebend gern ihre Forschungen erklären. Zumindest rationalisierte ich so während meiner Reisevorbereitungen, als mir erst richtig klar wurde, dass ich mit 14 weiteren Personen plus Besatzung und Expeditionsführung auf engen Raum reisen werde. Bei einer Urlaubsreise wäre mir in solch einem Rudel zu fahren völlig undenkbar. „Meine Freundin und ich und bloß kein anderer“, so lautet meine Devise. Aber das hier ist etwas anderes.
Wir sind aneinander freundlich interessiert. Drei Tage auf See in lebensfeindlicher Gegend lassen Exzentrizitäten hervortreten. Die Atmosphäre gleicht der des Zauberbergs mit Gesprächen über Hirnstrukturen, Intuition und Literatur, neben denen über Eiskernbohrungen und der Losung von Eisbär, Ren und Walross. Einige sind nicht hier, sondern bei ihren letzten Forschungsabenteuern, wenn sie von Bhutan, Kamschatka oder der Beringsee schwärmen. Jeder Narzissmus wird schmunzelnd akzeptiert. Da sehe ich gerade Sir Siegfried, der mit nach hinten gestrecktem Arsch, den Rücken durchgedrückt die feinsten Nuancen des arktischen Himmels auf seinen Film bannt. Er liebt seine Hasselblad, den Belichtungsmesser – und die Literatur. Ginge unser Eisbrecher unter, er würde gelassen Single Malt trinkend mit voller Bassstimme  einen klug sarkastischen Kommentar abgeben. Neben ihm stände der Rentierjäger stumm sein Zigarillo rauchend, unbewegt nach Moby Dick ausschauend. Die Zeichnerin würde den Untergang farbgetreu malen, bis eiskaltes Wasser ihr Aquarell reinwaschen würde. Jaques, unser französischer Birdman, würde sich vogelfrei in die Lüfte erheben einen Möwenschrei ausstoßend. Ich dagegen würde flugs mein Tagebuch wasserdicht verpacken, danach mit BohrkernBodo aufs Hier und Jetzt meditieren – nach einem kräftigen Schluck aus jener Buddle Rum, die sicher in meinen Gummiwanderstiefeln ruht. Natürlich wüsste ich, warum es zu dieser Havarie gekommen ist. Schuld sind genau diese grünen Gummiwanderstiefel. Das weiß doch jeder: Grün als Farbe des Landes bringt Unglück auf See. Kein Fischer lässt bei uns in Norfolk Grünes auf sein Boot. Neptun steht auf Blau.

Tage später

80038´ N, 20057´E, -90 C, Schneetreiben, dichtes Treibeis, geringe Sicht, mäßiger W-Wind.

Nord-Spitzbergen im Hochsommer

Es herrscht nach mitteleuropäischen Maßstäben tiefster Winter mitten im August. Weihnachtsstimmung kommt auf. Ich befinde mich an der nördlichsten Spitze Westeuropas. Die Decks voller Schnee. Dichter Nebel – „Pottendick“ wie der Seemann sagt – und heftigster Schneefall. Das Meer liegt ölig ruhig in einer geheimnisvollen Vielzahl von Grautönen. So habe ich mir Ultima Thule vorgestellt. Schemenhaft ist Land an Steuerbord zu ahnen. Das Schiff nähert sich der noch unvermessenen Isflakbukta, die ihrem Namen „Eisschollenbucht“ Ehre macht. Einige Schollen sind so riesig, dass man Häuser auf ihnen errichten könnte. Als ich die Brücke erreiche, taucht backbord die Parry-Insel verhüllt im Schneegestöber auf. Schrill piepst das Echolot seine Tiefenwarnung, Maschine 1/4 Kraft zurück.

In der warmen Schiffsbibliothek und zugleich Bar werde ich fündig: Leutnant William Edward Parry war ein Arktisforscher, den ein erlesener Kultursnobismus auszeichnete. Für ihn waren Fischer, Walfänger, Inuit zu tief angesiedelt, als dass er von ihnen lernen wollte. Es gibt eine Zeichnung, die Parry in Frack und Zylinder beim Treffen mit den Inuit zeigt … Meine Gedanken wandern vom eitlen Parry zu meiner norwegischen Freundin. Vor Wochen mailte sie: „Das arktische Norwegisch ist schnörkeloser, kühler, eben arktisch. Zum Beispiel wird unser Wort kjærlig (liebevoll) mit dem arktischen Wort verdifull (wertvoll) ersetzt. Kjærlig gibt es im arktischen Norwegisch gar nicht.“  Angesichts solcher Natur zieht die Sprache sich, das redseelige Klischee fliehend, ins Asketische zurück, fällt mir jetzt ein.
“Ready for landing Zodiaks” reißt mich der Lautsprecher aus meinen Gedanken.

Bootspartie im August

Ich bin froh, bei diesem Landgang Wandergummistiefel mit Lammfellsohle, Goretexhose über Cordhose, darunter Thermounterwäsche, HighTec Anorak, zwei Wollpullover und zwei Handschuhe übereinander zu tragen. Meine weltverschönernde Sonnenbrille habe ich aufgesetzt und eine doppeltgestrickte kanadische Wollmütze über Ohrenschützer, die zugleich als Kopfhörer für den Funk dienen. Wir suchen uns einen etwa acht Seemeilen langen Weg durch dichte sich drehende Eisschollen, um mit den beiden Zodiaks landen zu können. Eis drängt uns ab, es schneit dicht. Die Landschaft ist zum fotografischen Negativ geworden. Wie grobkörnige Schwarz-Weiß-Fotos erscheinen die steilen Berge, entrückt, eher Kunst als Natur. Weltfern, wunderschön. Es ist unsicher, wie lange wir bleiben können.

Graueislandschaft

 

Wird das Eis zunehmen?“, „Kann das Bodenradar Eisbären in diesem Schneegestöber ausmachen?“, „Wird unser Schiff vom Eis bedrängt werden?“ lauten verzagte Fragen als wir “Entdecker” erst die Gewehre laden, ehe wir die beiden Zodiaks am verschneiten Walknochen am Ufer sichern. Wir möchten von dieser Bucht die nördlichste Stelle auf Land auf unserer Expedition erreichen. Von hier versuchten einige den Nodpol zu bezwingen, so weit wollte ich allerdings heute nicht gehen.

Ich kann meinen Blick nicht von den Bergen abwenden, während die anderen auf eine kleine Gruppe Walrosse zustreben, die wie braune Jutesäcke aussehen. Diese größten Robben der nördlichen Halbkugel liegen verdauend auf dem einzig schneefreien Platz weit und breit.

Walrosse nach dem Verspeisen einer großen Portion Muscheln

Schnell ein paar Fotos geschossen – und das mit Handschuhen -, dann wandern wir gen Norden. Eiskalte Polarwüste wie in einer Tiefkühltruhe, nichts ist unterscheidbar, ich versinke im hellblendenden augenfeindlichen Grau. Ist das der tödliche White Out? Bloß nicht stehen bleiben! Immer bewegen. Bei 80052´N, 20052´E erreicht uns der Funkspruch unseres Kapitäns “massives Treibeis bedroht Schiff”. Ich lasse es mir dennoch nicht nehmen, meine nördlichste Zigarette zu rauchen. Plötzlich höre ich die Stille, die sich in einem vieldimensionalen Raum öffnet. Der unbegreiflichen Macht, welche die Umgebung auf mich hat, gebe ich mich hin. Zeit scheint sich aufzulösen. Der sich erweiternde Raum wird zeitlos. Dann geht es zurück. Beißende Kälte im Gesicht, fantastisches Licht, euphorische Stimmung. Obwohl ich mich für einen lebensfrohen Menschen halte, hätte ich hier in Frieden sterben mögen.
Von solchen Gedanken berichtete schon Adolf Erik Nordenskjöld bei seiner Bezwingung der Nordost-Passage: Man geht hinaus in die arktische Schönheit, obwohl man weiß, dass dies der Weg der Todgeweihten ist. Der schwedische Entdecker kettete auf Wunsch seine Männer am Boot fest. Der Tod ruft verführerisch in der Arktis. Welch romantisch grausame Vorstellung. Sterben auf dieser verwunschenen Insel am Rande des Globus, heldenhaft … Ja, das ist der beste Weg, in die Encyclopedia Britannica aufgenommen zu werden.

Morgens von meiner Kabine aus aufgenommen

Gedanken in der Schiffsbar

Wir fahren durch eine wunderbare Welt in Schwarz-, Weiß-, Türkis- und Blautönen. Das ewige Eis ist weißer als Schnee, fällt mir auf, weil ich es bei Helge Schneider gelesen hatte. Ich frage mich, welche Landschaft ich hier erlebe. Kindlich empfinde ich, wenn ich mit staunenden Glitzeraugen die Eindrücke in mich einsauge. Hingabe pur. Dann möchte ich das beschreiben. Sogleich bedrängt mich der Zweifel, ob ich nicht einzig das erkenne, was sich in meiner Vorstellung bildete. Ich sehe eine Arktis, die mir in Büchern und durch unsere Expeditionsleiter auf dem Silbertablett präsentiert wird. Nehme ich überhaupt eine Beziehung zu dieser äußeren Landschaft auf, die in sicherer Entfernung von mir am Schiff vorüberzieht? Die lebensfeindliche Macht dieser Landschaft, ihren Schatten, bekomme ich nur mit, weil ich weiß, welche Dramen sich hier abgespielt haben, enttäuschte Hoffnungen, Verzweiflung und Tod. Da gibt es eine innere Landschaft, die von meinem Wissen geprägt ist und die in dieser äußeren Landschaft erscheint. Sehen wir nicht immer auch die Geschichte der Landschaft? Die Geschichten, die sich dort abspielten, machen sie zu dem, was sie für uns ist.
Sehen wir nicht alle eine Arktis, die es so nicht mehr gibt? Auf solch einer Reise idealisiert jeder. Deswegen fährt man doch! Ich merke es im Bauch, wenn ich Land betrete, das wenige vor mir betraten. Ich sehe sie romantisch als Bühne, auf der „Heldentat und Tod“ gespielt wurde.

Treibeis schabt am Schiff, das sich mit drei Knoten den Weg bahnt, stecken bleibt, Eis bricht und schiebt. Abends wieder dichter Schneefall, die Decks sind tief verschneit.

Eine Seite aus Monis Tagebuch (Hoch Arktis)

© Klausbernd Vollmar, 2012
© Moni Obser, 2012 für beiden Illustrationen (http://www.msobser.de)

P.S.

Ich habe auf dieser Expedition im Gegensatz zu anderen Reisen in die Hoch-Arktis zum ersten Mal fotografiert. Ich fotografiere wenig auf Expeditionen, da unter den Umständen das Fotografieren für mich stets in Stress ausartet und mich abhält, die Großartigkeit der Landschaft zu spüren. Ich bitte deswegen um Nachsicht, dass meine Fotos eben nur Knipsis sind.

Liebe Grüße an alle und, um euch schon neugierig zu machen, im zweiten Teil meines Beitrags kommt ”really big ice”
Klausbernd