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Schlagwort-Archive: Bert Brecht

Master`s Books I

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Ich akzeptiere prinzipiell keine Niederlage, um was es sich auch handelt
Alexandra David-Neel

I don`t accept any defeat, in whatever field
Alexandra David-Neel

Wie in „Die Nachtbibliothek“, jene lesenswerte Graphic Novel von Audrey Niffenegger, wurde die Vorstellung von Masterchens Bibliothek zu einer Zeitreise, bei der wir uns in sein „Lesewerk“ versenkten. Allerdings ist dies Masterchens zweite Bibliothek. Seine erste, die fast nur aus Klassikerausgaben von Grimmelshausen bis Brecht bestand, haben wir nicht gekannt. Er verkaufte sie vor seinem Umzug nach Montreal, da Bücher ja sooo schwer sind.

The presentation of our Master`s library became a journey in time like in Audrey Niffenegger`s graphic novel „The Night Bookmobile“.
This is Master`s second book collection. His first one consisted of classic authors only from Grimmelshausen (17th c.) to Bert Brecht. But we didn`t know this one because he sold it before moving to Montreal as books are sooo heavy.

Seht Ihr uns beiden Buchfeen? Wir schweben gerade vor Jung, lesend.

Seine heutige Bibliothek beginnt mit seiner esoterischen Phase.
„Naja, Masterchen ließ keine Torheit aus“, meinen wir kichernd. Eigentlich sind diese Bücher, die viele Regalbretter füllten, längst verschwunden, nur Steiner und Gurdjieff – Zeitgenossen, die sich spinnefeind waren, sich aber darin trafen, C.G. Jung zu misstrauen – haben unsere radikale Reinigung überlebt, wie auch diese gelbe Gesamtausgabe Jungs. Als wir mit Dina gestern Abend diese Ecke fotografierten, begann plötzlich Masterchen abdriftend vom Hemlebens Buch „Diesseits“ zu schwärmen, das, wie er meinte, „wunderbar in die anthroposophische Naturbetrachtung einführt. Damals“, so erzählte er, „gingen wir mit diesem Buch bewaffnet in die Natur, das uns zugleich in guter anthroposophischen Tradition Goethes ‚Metamorphose der Pflanzen‘ nahebrachte und überhaupt seine naturwissenschaftlichen Schriften, die wir bis dato völlig missachtet hatten. In dieser Zeit entdeckte ich Goethes Farbenlehre, die Steiner für Kürschner Gelehrtenlexikon als junger Mann herausgeben hatte.“ Stolz zeigte uns Masterchen seine dreibändige Ausgabe mit den hilfreichen Kommentaren Steiners. „Übrigens“, fügte Masterchen hinzu, „Goethe fand die Farbenlehre sein wichtigstes Werk, wie er kurz vor seinem Tod Eckermann gegenüber bemerkte.“
Kleine Bemerkung von uns Buchfeen: Weder Hemleben noch Goethe brachten Masterchen bei, Pflanzen zu bestimmen. Wir haben es geschafft, indem wir ihn weg von den Büchern in den Garten zerrten. Aber dennoch setzten wir uns ein, dass Steiner, Gurdjieff und Jung ehrenhalber quasi ein Altenteil in einem Regal eigerichtet bekamen.
Zwei Bücher der Gartenecke möchten wir euch noch empfehlen: Eva Maasers „Der Paradiesgarten“. Dieser Roman schildert, unterhaltsam zu lesen, die Geschichte der Gartenkultur und hat uns einige Anregungen für unseren Garten gegeben wie auch Hermann von Pückler-Muskaus zweibändige illustrierte Ausgabe „Reisebriefe aus England und Irland“, die uns lehrte, bewusst auf Perspektiven im Garten zu achten z.B. beim Rasenmähen.

His new collection starts with his esoteric stage. Well, our Master didn`t leave out any folly.
Nearly all these esoteric books are long gone except the collected works of Rudolf Steiner and Gurdjieff – who hated each other but agreed in not liking C.G. Jung. We still own the collected works of all three authors. When Dina was photographing this corner Master got carried away to talk about a small book by the anthroposophist Hemleben „Diesseits“ (This World) which was his bible walking out into the nature and made him aware of Goethe`s writings about science, exspecially „The Metamorphosis of Plants“. Although he never learned to identify plants before we Bookfayries lured him away from his computer out into our garden.
Two books about gardens we like to recommend: Eva Maaser „Der Paradiesgarten“ (The Garden as Paradise) a novel full of information about the history of garden design and the famous Count Pückler-Muskau`s „Letters From England and Ireland“. Those books inspired us to rethink our way of cutting our lawns and the perspectives in our garden.



Masterchen war ja immer schon etwas verrückt, zur gleichen Zeit las er nämlich von Deleuze und Guattari „Rhizom“ und „Der Faden ist gerissen“. „Aber hallo!, nicht verrrückt!“, wandte er ein, „ Deleuze und Guattari führten das Wurzelrhizom in die Philosophie ein und beeinflussten mit dieser Pflanzen-Metapher den Diskurs um den Strukturalismus nachhaltig.“ Diese Bücher stehen in der Abteilung für Philosophie neben Michel Foucault, Derrida und dem Großmeister des Strukturalismus Claude Levi Strauss, dessen „Traurige Tropen“ eine Zeitlang Masterchens Lieblingsbuch war, das er stolz in der ersten Auflage besitzt wie auch das vielzitierte Werk Malinowskis „Das Sexualleben der Wilden“, aber damit sind wir bereits bei der Abteilung für Ethnologie, in der wir mit dem Zudrücken aller Augen auch Carlos Castaneda einsortierten. Castaneda war mega-in. Masterchen war schon in den 70ern in den USA auf ihn gestoßen und besitzt noch alle seine Bücher, die wir Buchfeen wie gut geschriebene Phantasy lesen, naja, nicht so gut wie „Der Herr der Ringe“, den wir wie viele Ausgaben der Hobbit-Press bei Klett-Cotta wegen der herausragenden Buchgestaltung behalten haben. Aber zurück zur Ethnologie: Kennt ihr Alexandra David-Neel, eine kühne Frau, die wie Trapper Geierschnabel aussah und Tibet erforschte? „Mein Weg durch Himmel und Hölle“ fanden wir sehr spannend zu lesen und Materchen ist solch ein Fan von ihr, dass er selbst als Kochstümper ihr Tibet-Kochbuch kaufte. Und noch eine Empfehlung aus dieser Abteilung gefällig? Schaut mal in Florinda Donners „Shabono“ herein, es erinnert leicht an Castaneda, wir finden es aber besser.

Sorry to write it, but our Masters has always been a little crazy, indeed. At the same time he was reading the French and Italian (neo-)structuralists like Deleuze and Guattari who coined the phrase „rhizome“ in philosophy and influenced with this plant-metaphorical notion the philosophical disussion quite a bit. Their books like „Anti-Ödipus“ are standing next to Foucault`s, Derrida`s and Claude Levi Strauss´s books. „A World On the Wane“ was Master`s favourite book for quite some time. He owns the first edition of this book as Malinowski`s often quoted work „The Sexlife of the Wild“. But now we are already in the department of anthropology where we found Carlos Casteneda, this in-author for quite a while. Well, we are not sure if this is „real“ anthropology. We Bookfayries read it as fascinating phantasy but not as good as „The Lord of the Rings“. Here we found Alexandra David-Neel too. Do you know this brave lady looking like a trapper „Vulture Beak“? She explored Tibet and wrote many books about it all standing in this departmet. Did you ever came across Florinad Donner`s „Shabono“? A fascinating read a little bit like Castenada`s book but we prefer her. 

In dieser Abteilung steht wohl nicht ganz logisch Cerams „Götter, Gräber und Gelehrte“. Dieses Buch besitzt Masterchen in einer schön gebundenen Ausgabe seit seinem 16. Lebensjahr, als er gleichzeitigt jenen mega-depressiven Roman „Steppenwolf“ las, den wir genauso unleserlich finden wie „Die Leiden des jungen Werther“, voll pathetisch. Iiih! Cerams Buch war viel packender und damals das Geschenk für Jugendliche seines Alters. Er erzählte, dass er es mindestens fünfmal geschenkt bekam und es mit glühender Begeisterung las. Übertroffen wurde es wohl nur von Gustav Schwabs „Sagen des klassischen Altertums“., das jedoch in unserer umfangreichen Märchen und Sagen Abteilung steht. Die wird erschreckend von den Kunstmärchen der Romantik dominiert, ein Steckenpferd von Masterchen, der uns Tiecks „Der blonde Eckbert“ und „Der Runenberg“ kürzlich vorlas. Wunderschön!

Und er erklärte, wie dort der Schauer entdeckt wurde, der dann in Schlemihls wundersame Geschichte von Chamisso und natürlich bei Mary Shellys „Frankenstein“ und Bram Stockers „Dracula“ mehr und mehr zelebriert wurde. Neben „Dracula“ stehen unsere geliebten Werke von Edgar Allan Poe. Mit ihm haben wir den Übergang vom Schauerlichen zum Krimi, eine Gattung, die Masterchen erst durch den Einfluss seiner Schwester nahegebracht wurde. Wir können das ganz und gar nicht verstehen, dass Masterchen überhaupt kein Interesse daran zeigt, wer der Mörder sein könnte.

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Gerade liest er „Arthur and George“, ein moderner Sherlock-Holmes-Roman von Julian Barnes, aber „whosdoneit“ interessiert ihn nicht die Bohne. Er ist fasziniert von dem genialen Einfall eine Art Dreyfuss-Geschichte mit Conan-Doyle zu verbinden und in seiner Begeisterung bemerkte er gar nicht, dass er Gleiches mit Sigmund Freud und Sherlock Holmes in seinen Beitrag über das Rauchen machte. „Betriebsblind!“, sagen wir nur.
Naja, alle Werke von Conan Doyle, Agatha Christie und Patricia Highsmith stehen auch bei uns herum, wobei in den Sherlock-Holmes-Geschichten Masterchen noch heute öfters blättert. „Der Detektiv als Metapher für den Intellektuellen“ so wollte er uns diese Krimis verkaufen, die wir jedoch monoton finden, immer das gleiche Schema wie auch bei Agatha Christie, die Masterchen ebenfalls liebt. „Es ist wie beim Kinderbuch“, erklärte er sich, „es gibt eine angenehme Sicherheit zu wissen, was man zu erwarten hat.“ Allerdings gibt es eine Ausnahme für uns. Christies „Mord im Orientexpress“, bei der alle Verdächtigen die Mörder sind, das finden wir genial.

In this corner we found „Gods, Graves and Scholars“ by Ceram as well. When our Master has been young nearly every adolescent boy and girl got it for Christmas or birthday. Master did read it with a great interest like the „Legends from Classic Greec“ by Gustav Schwab when he was 16. At the same time he read Hesses`s „Steppenwolf“ as well. Oh dear, we Bookfayries find this book as pathetic and unreadable as Goethe`s „The Sufferings of Werther“.
Legends and fayrietales share one corner in our library. The poetic fayrietales of the romantic poets like Tieck, Novalis, E.T.A. Hoffmann and Camisso – just to name a few – dominate this corner. Our Masters loves those authors who „invented“ the shiver in literature which was cultivated in Mary Shelley`s „Frankenstein“ and Bram Stoker´s „Dracula“. Stoker was a friend of Conan Doyle, one of the honarary guests at Conan Doyle`s second wedding.
You see here we have reached the department of criminal stories. There we love Edgar Allan Poe`s stories marking the beginning of the criminal story („The Murder in the Rue Morgue“ f.e.). Although we have got the collected works of Agatha Christie, Conan Doyle, Patricia Highsmith, Donna Leon and many more our Master doesn`t really like criminal stories. You wouldn`t believe it but he isn`t interested in the slightest to find out who has done it. Well, actually he reads some times Conan Doyle and Agatha Christie. For us un-understandable, it`s all the time the same structure. We find those stories monotonous whereas our Master replies that it is for him like being a child reading a book again and again and the fun of it is knowing what will happen. „That`s a comforting security making the crime easier to bear“, he tells us. „The detective is the metaphore for the intellectual“ he goes on to make us like those classic authors of suspense. But we like one book from this collection: Chrstie`s „Murder in the Orient Express“. We consider it a great idea that all suspects commited the murder, really original.

Wir haben noch viel mehr Abteilungen. Über die Bücher der Eisecke berichteten wir bereits. Über die anderen Abteilungen werdet ihr demnächst hier Stück für Stück lesen – wenn`s euch interessiert. Was wir noch zu bieten haben? fragt ihr.

There are much more departments in our library. You will read about bit by bit on our Bookfayrie blog – if you are interested. What more we have got, you ask?

Eine umfangreiche Abteilung mittelhochdeutscher Literatur (Hochmittelalter)
Eine ganz Zimmer voller Lexika über die absonderlichsten Dinge, wie ein Betrugslexikon z.B.
Eine große Abteilung Symbolik mit der Unterabteilung Farben, wo wir demnächst das Regalbrett wechseln müssen, so biegt es sich
Die Sammlung von Atlanten der Erde und des Universums mit zwei schönen Globen unserer Erde und einem Sternenglobus wie auch ein großes Modell unseres Planetensystems, das in unserer Eingangshalle hängt und uns, ehrlich gesagt, beim Fliegen mächtig behindert, hier stehen auch die Bücher über die Entdecker, darunter eine vollständige Reihe weiblicher Entdecker (zu der die oben genannte Alexandra David-Neel neben Ella Maillard und James Morris [a she!] u.a. gehört)
Bücher über Mathematik, Physik und Alchimie (teilweise völlig abgefahrenes Zeugs)
Unmengen Bücher über Sexualität und Klassiker der Pornografie, wobei „Orgasm“ von Jack Lee Rosenberg (Masterchens Therapeut in New York) damals in keiner amerikanischen und deutschen Bibliothek fehlen durfte. Wir haben es noch!
Und dann die Romane, hauptsächlich englische, skandinavische, deutsche und arktische Autoren

medieval literature (a huge collection)
a room filled with encyclopedias about the most amazing subjects
a big collection of books about symbolism and exspecially about colour and dream symbolism
Geography, atlases of the world and our universe, terrestical and star globes, a moving model of our planetary systems we don`t like because it`s blogs our way flying around. In this section we store books about exploreres too
books about mathmatics, physic and weird books about alchemie (quite weird books)
a big collection of books about male and female sexuality and the classic pornographic books
and last not least novels, mostly by English, scandinavian, German and arctic authors

Also ihr seht, da könnt ihr euch noch auf einiges gefasst machen.
Ganz liebe Grüße der Bibliothek, die unsere Heimat ist, auf der wir sehr stolz sind
Greetings from our library
Siri und Selma, Buchfeen

The English and the German texts differ because of information that is only available in German or only of interest for the English spreaking reader.

Brecht und ich

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„Die Volksschule langweilte mich 4 Jahre. Während meines 9-jährigen Eingewecktseins an einem Augsburger Realgymnasium gelang es mir nicht, meine Lehrer wesentlich zu fördern.“

Bert Brecht lebte 22 Jahre in Augsburg, Dina und ich waren 22 Stunden dort.
Dreimal zog Brecht dort um, wir suchten sein Geburtshaus 30 Minuten. Mit Hilfe unserer Buchfeen Siri und Selma fanden wir es endlich am rauschenden Wasser, so etwas wie ein großes Freiburger Bächle in Augsburg, das weiche Wasser in Bewegung, das das Harte stets besiegt.

Das Museum präsentiert Brecht fein, Dina knipse und ich erinnerte einiges, Siri und Selma spielten Verstecken hinter den großen Bildtafeln. Brecht regt an, hinter die Dinge zu schauen.

Brecht, so heißt es, war ein unwiderstehlicher Stinker gewesen, einer mit vielen Frauen, auf den konnten sie nicht bauen – oder doch? Auf seiner Weise treu. Ein guter Mensch, der wär er gern, doch leider lebte er in finstren Zeiten auf diesen Stern.

Brecht und ich für die Nachgeborenen. Zumindest die Bilder vergrößern sich beim Anklicken.

Im Gegensatz zu mir liebte der schmächtige Brecht das Boxen, war mit einem Boxweltmeister befreundet und hat sich wohl nie geschlagen, ganz anders wie sein Vorbild Villon.

Zum Abschluss die Raucher – tschüss, ich muss mir eine Zigarre anzünden, ja, eine Zigarre mit Brechtbauchbinde, die an der Museumskasse wohlfeil geboten wurde.
Zum Abschluss mein Tipp: Wusstet ihr, dass Brecht nicht nur herb, sondern auch wunderschöne Liebesgedichte schrieb?

Oder wie wär`s mit „Erinnerungen an die Marie A.“, sein bekanntestes Liebesgedicht?

Liebe Grüße von Dina, den Buchfeen und mir
Klausbernd

Theater am Schiffbauerdamm

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Theater am Schiffbauerdamm

Wir beiden liebklugen Buchfeen Siri und Selma haben Masterchen überrascht, als er im Theater am Schiffbauerdamm, dem Theater des Berliner Ensembles, „Mutter Courage und ihre Kinder“ sah. Das Theater hatten wir uns völlig anders vorgestellt. Wir waren geschockt, als wir ins Foyer einflatterten, wo Masterchen mit der Gartenfee zweifelhaften Prosecco tranken. Der gründerzeitliche Prunk ließ uns verstummen, aber es kam noch schlimmer, der Zuschauerraum ist mit Figuren und goldenen Schmuckelementen überladen. Sehenswert, aber weder schön noch brechtisch. Ein klares, eher asketisches Theater hatten wir beide erwartet und nun das. Diese Pracht steht doch im krassen Widerspruch zu Brechts Theaterästhetik, wunderten wir uns. Masterchen erklärte es uns so: „Der Zuschauer soll aus der Welt des schönen Scheins in die Realität der gesellschaftlichen Verhältnisse eingeführt werden.“ Na, wenn das keine Rationalisierung ist! Aber der Widerspruch zwischen dem Theaterraum und der kargen Bühne war schon enorm.

Ursprünglich war dies Max Reinhardts Theater gewesen. 1928 übernahm Ernst Josef Aufricht dieses Theater als Direktor (mit Geld seines wohlhabenden Vaters pachtete er es), ein Greenhorn, von dem wir Buchfeen nie zuvor und nie danach gehört haben, also ein Anfänger, der verzweifelt ein Stück zu Beginn seines ersten Spielplans suchte. Da stieß er zu seinem großen Glück auf Brecht, der nach chaotischen Proben seine Bearbeitung von John Gays „Beggar`s Opera“ als „Dreigroschenoper“ auf die Bühne brachte. Das Stück war ein Riesenerfolg, es lief ein Jahr lang. Wir sahen es einst in der Hamburgischen Staatsoper mit Dina und Masterchen und haben uns köstlich amüsiert – großes Theater, das wir euch sehr empfehlen können. Masterchen meinte, es sei ein anspruchsvoller Vorläufer der Musicals. Elias Canetti, der zur Premiere am 31. August 1928 angereist kam, nannte die „Dreigroschenoper“ eine raffinierte, kalt berechnete Aufführung, bei der „keine Sau sich hätte wohler fühlen können.“ Das bürgerliche Publikum amüsierte sich entgegen Brechts Intentionen prächtig. Allerdings sollte das der einzige große Erfolg bleiben, den diese Bühne sah. Die „Dreigroschenoper“ machte Brecht reich und das Theater am Schiffbauerdamm berühmt.

Als Brecht, so lasen wir im Programmheft, 1948 nach Berlin zurückkehrte, begehrte er dieses Theater, was ihm allerdings erst 1954 gewährt wurde. Brecht wurde nämlich scharf von der stalinistischen Fraktion in der DDR als Formalist angegriffen, der sich in spätbürgerlichen Spielereien verliert. Der listige Kämpfer Brecht setzte sich jedoch durch. Er hatte dann in diesem Theater von seinen Stücken nur „Der Kaukasische Kreidekreis“ und teilweise „Das Leben des Galileo“ inszeniert, ein Stück, in dem er die Frage nach der Verantwortlichkeit der Intellektuellen stellt. Während der Proben zu diesem Stück stirbt Brecht und Helene Weigel übernahm bis 1971 die Intendanz, die heute Claus Peymann innehat.

Die Inszenierung von Brechts Klassiker schien Masterchen etwas zu gefällig. Er misst die Mutter Courage immer noch an Helene Weigels Spiel, die vorbildlich diese Figur, die viel Brechtisches besitzt, darstellt und zugleich zeigt, dass sie eine Figur spielt und diese nicht ist. Uns Buchfeen hat diese Aufführung gefallen, wenn sie uns auch nicht vom Hocker riss, da neue Inszenierungsideen fehlten, außer dass Brechts Originaltext vom Berliner Ensemble ziemlich gestrafft worden war, was aber Tempo brachte. Und bedenkt, dass dieses meistgespielteste Stück Brechts über 70 Jahre alt ist und immer noch sehenswert.

Liebe Grüße von uns Buchfeen
Siri und Selma

Buchmesse

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Buchmesse

„Das Leben hängt am seidenen Faden …“, schreibt Frau Blau in ihrem Blog. Leider begann bei unserem Masterchen die Buchmesse auch mit einem Unfall. Eigentlich ist er ja nicht auf den Kopf gefallen, aber in Frankfurt doch. Autsch! Das hätte ins Augen gehen können.

Ihr seht, es geht schon wieder. Dem Unfallkrankenhaus entkommen, schlich er für ein halbes Stündchen am Arm von Dina über die Buchmesse. Irgendwie war die Messe gar nicht so spannend dieses Jahr. Wir Buchfeen hörten immer wieder, wie sich viele fragten, ob solch eine Megamesse im Zeitalter der digitalen Medien überhaupt noch sinnvoll und notwendig ist. Die Buchbranche gab sich zwar gelassen, verschweigt peinliche Umsatzeinbußen und die Schließungen der Filialen der Großbuchhandlungen wie Thalia und Hugendubel (der Verdrängungswettbewerb rächt sich). Und das Buch der Saison, das man gelesen haben muss, gab`s auch nicht. Über Schwarzeneggers Selbstenthüllungsbuch schwieg man lieber und so mancher fragte sich: „Wer will denn so etwas lesen?“ Naja und Siri blätterte gähnend in Kachelmanns Buch, das sie auch nicht vom Hocker riss.

Der Literarturnobelpreis für den Chinesen Mo Yan stieß auf völliges Unverständnis. Wir Buchfeen zweifelten zuerst an unserer Bildung, aber jeder fragte sich: „Wer ist denn das?“ Selbst uns Buchfeen ist klar, dass dies ein politisches Zeichen ist, „aber ein Zeichen wofür?“ fragten wir Masterchen, der sein lädiertes Haupt nur müde schüttelte. Wir hatten mit Masterchen gewettet: Philip Roth war unser Favorit, der seit Jahren für diese Auszeichnung vorgeschlagen wird, Masterchen setzte auf Haruki Murakami.

So ließ er sich noch schnell von Dina am Stand eines norwegischen Verlages vor einem Nordlichtposter fotografieren, ehe wir ihn wieder in sein Kuschelbettchen bei unseren lieben Frankfurter Freunden steckten. Masterchen ist noch ziemlich ruhebedürftig.

Liebe Grüße von der Buchmesse in Frankfurt
Siri und Selma, die sich ganz lieb bei Dina für die Fotos und Collagen bedanken

Erkennt ihr übrigens in der Collage unten Herbjørg Wassmo, Bert Brecht und Masterchen?

Ernst Jünger

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Bücher sind reine Abfälle. Das Wesentliche ist die Begegnung mit der Sprache. Der Autor ist wie ein Minenleger: Er befindet sich schon wieder in anderen Gewässern, wenn die Minen hochgehen.
Ernst Jünger
Als Kontrastprogramm zu Brecht stelle ich ein unbekannteres Buch von Ernst Jünger vor. „Myrdun. Briefe aus Norwegen“ illustriert mit Zeichnungen von Alfred Kubin. Diese Briefe stammen aus dem Sommer 1935.

Ich habe erst vor ein paar Jahren Bücher von Jünger gelesen, da mein Vater, zu dem ich nicht gerade das beste Verhältnis hatte, für Jünger schwärmte. Nach meiner Beschäftigung mit Brecht im Gartenhäuschen griff ich zu diesem dünnen Band, mehr da mich Norwegen (und die Gegend von Molde, die ich gut kenne) als Ernst Jünger interessierte. Zuerst einmal stutze ich bei dem Titel. Was ist denn Myrdun? Es ist, lese ich in den Briefen, ein Kraut, das im Moor wächst und im Deutschen (nach Jünger) Moordaune genannt wird. Ich kenne es unter dem Namen Wollgras. Meine Buchfeen, die eifrig die Texte über das einfache Leben mitlasen, waren ganz begeistert, dass ihre nordischen Schwestern nach Jünger aus der „Wolle“ der Blütenstände Kleider spinnen.

Mein erster Eindruck: In antiquierter Sprache und nicht ohne Pathos werden die meisten beschriebenen Natur-und Kulturphänomene Norwegens gnadenlos überhöht, was Jünger als Stil „gegen den rationalen Dünkel“ sieht. Die Stärke des Büchleins liegt jedoch nicht in Jüngers vielgelobten Stil, auch nicht in seinen Ausflug in die Astrologie und seiner „Menschenkunde“, sondern in seinen genauen Naturschilderungen. Er beschreibt anschaulich den Fischfang, der ihn, dessen Vorfahren angeblich Fischer waren, interessiert. Dabei werden die Methoden des Fischfangs wie auch die unterschiedlichen Fische detailliert beschrieben. Mich hat fasziniert, wie Jünger von den Norwegern berichtet, dass sie viele alltägliche Verrichtungen von Ebbe und Flut abhängig machen. Fischklößchen sollen bei Ebbe besser aufgehen, wohingegen man bei Flut schlachtet, da sich dann die Borsten leichter vom Fleisch ablösen lassen. Etwas kryptisch schreibt er ferner, dass die Tide auf die Geburts- und Sterbestunde Einfluss habe. Jünger wirkt auf mich immer wieder ziemlich esoterisch.

Ansonsten sah Jünger das Moor als die typische Landschaft Norwegens an und die auf ihn unfertig wirkenden Berge. Auch zum Essen und der Bauweise der Norweger findet man hier Anmerkungen, wobei die Beobachtungen sicher vom historischen Interesse sind, seine Schlussfolgerungen allerdings bisweilen kühn.

Trotz aller Vorbehalte gegen Jüngers Gedankenwelt haben mich jedoch zwei Aussagen verwundert. Schon 1935 sieht er eine allgemeine Entwicklung in der Literatur zum Journalismus hin, was er daran festmacht, dass nicht mehr die Sprache gepflegt wird, sondern der Inhalt zunehmend in den Texten im Vordergrund steht. Hier deutet sich Jüngers Kritik der Medien an, die in seinen späteren Werken immer wieder durchscheint, und weswegen ihn Virillo und Baudrillard als „Klassiker der modernen Medientheorie“ bezeichnen. An der Medizin, mit der er sich in den Briefen ausführlich auseinandersetzt, sieht Jünger eine Vernachlässigung der Heilung, da es hauptsächlich darum geht, den Menschen arbeitsfähig zu halten.

Illustriert wurden die Briefe von Alfred Kubin, den Jünger verehrte, der mir jedoch zu viele Striche gebraucht, um etwas darzustellen. In der Kunstgeschichte wird er als der Illustrator mit „nervöser Strichführung“ charakterisiert.

Alfred Andersch sagte einmal, dass Jüngers Bedeutung einzig in seiner Umstrittenheit läge. Ferner wurde Jünger vorgeworfen, dass er faschistoides Gedankentum geschickt in Subtexten verstecke, die seiner Dichtung zugrunde lägen. Ich geb`s zu, ich habe hierzu keine Meinung, allerdings musste ich grinsen, wie er die Norwegerinnen als saubere Naturmädels beschreibt.

Jünger polarisiert. Meine Freunde, die Jünger kennen (und das sind erstaunlich viele), lehnen ihn entweder ab oder verehren ihn – und wie steht ihr zu Ernst Jünger?

Post Scriptum:
Ab Morgen werde ich bis Ende November ständig in Deutschland, der Schweiz und Irland unterwegs sein. In der Zeit ist es mir viel zu stressig zu bloggen. Wenn ihnen etwas einfällt, werden meine liebklugen Buchfeen Siri und Selma etwas schreiben oder Dina, die allerdings schon mit ihrem Blog genug beschäftigt ist. Ich verabschiede mich von euch allen bis Ende November, habt eine schöne Zeit, vergesst mich nicht und guckt mal ab und zu, was Siri und Selma auf meinem Blog berichten. Als nächstes wollen die munteren Buchfeen über das Theater am Schiffbauerdamm/Berlin etwas schreiben, haben sie mir verraten.
Liebe Grüße aus dem Gartenhäuschen
Klausbernd

Brechts Buckow

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Man bat diskret um Fotos des Hauses von Bert Brecht und Helene Weigel in Buckow, „der Perle der Märkischen Schweiz“.

Brecht und seine Frauen nähert sich so dem Haus, wenn sie von Berlin nach Buckow fuhren, wofür sie fast die gleiche Zeit wie wir heute benötigten, nämlich eine gute Stunde.

Vorderseite Brechthaus Buckow
Foto: Christine Ackermann

Auf der Rückseite des Hauses liegt der Schermützelsee – eine noch heute betörende Aussicht. Brecht fand dieses Haus 1952 und erwarb es.

Brechthaus Buckow

Das Ess- und Wohnzimmer
Foto: Christine Ackermann

Ich kann Brecht gut verstehen, schon allein wegen dieses großzügigen Zimmers mit Seeblick und großem Kamin, dazu noch zwei Stockwerke hoch, wäre ich verzaubert gewesen. Das war Helene Weigels Reich, wo sie mit Brecht ständig Gäste empfing und von diesem alten Hochzeitsstuhl am Kopfende aus der Tafel vorsaß. Brecht hat sich an dem alten Tisch in Gesprächen mit anderen inspirieren lassen, aber geschrieben hat er hier nicht. Das geschah im Gärtnerhaus, das heute im Privatbesitz seiner Tochter oder Enkeltochter ist.

Brechthaus Seeseite

Brechthaus Buckow Seeseite
Foto: Christine Ackermann

So sieht das Haus von der Seeseite aus, wo ein großes Stück romantisches Ufer ganz unbrechtisch zum Grundstück gehört.

So viel von meinem Brecht-Weigel-Ausflug nach Buckow. Liebe Grüße euch allen aus dem Gartenhaus – viel kleiner als Brechts Gärtnerhaus
Klausbernd

See-rious

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See-rious

„Are you Siri-ous!?“ rief meine Schwester verblüfft.
„Nee, Siri, das glaube ich ja nicht!“
Selma schob energisch ihre kleine Feennähmaschine zur Seite und kam schnell zur Tür geflattert. Dicht beieinander versuchten wir gleichzeitig ein Blick  durch das viel zu kleine Schlüsselloch zu erhaschen.
Ein Vogel auf der Couch? „Hat Masterchen neuerdings einen Vogel, oder was geht hier ab?“ piepste Selma ungläubig.
Tatsächlich. Auf der Couch lag ein Vogel. Schön, groß und irgendwie traurig.

Was hat der denn? Warum hat wohl der Vogel Masterchen aufgesucht?
Als wir die klassiche Eröffnungsfrage „Was fehlt Ihnen denn?“ hörten, lehnten wir uns mucksmäuschen still zurück und lauschten. Und das hörten wir lüstern lauschend:
„Ich meine, warum sind Sie denn hier?“, hörten wir Masterchen mit seiner beruhigenden Therapeutenstimme fragen, „Flügellahm oder haben Sie einen Pieps, wenn ich mir dieses Wortspiel erlauben darf?“ Was wir jetzt hörten, verschlug uns die Sprache. Unser Vogel, ein Graureiher, bekam gar nichts mehr auf die Reihe und das kam so: Er hatte die anderen Vögel hinter vorgehaltenem Flügel piepsen gehört, dass es dort am Großmeer Reviere mit eins-A-Lage für Vögel gab. Das Wasser wurde stets von hilfreichen Menschen so reguliert, dass genug vorhanden war und erst das Futter … Georg der Reiher (der Name wurde von uns geändert) kam ins Schwärmen: Es geht die alte Vogelsage, die weit hinter Attars „Vogelgespräche“, eine der wesentlichen Weisheitsüberlieferungen der östlichen Vögel, dass dort Futter in Hülle von so einem Menschen, der wohl Warden hieß, bereitgestellt wurde, so dass einige Vögel bereits gesehen wurden, die zu schwer zum Weiterflug wurden. Zu der Zeit wusste der Reiher jedoch nicht, dass dies der Treffpunkt der Exhibitionistenkolonie war, wo Vögel aus Bequemlichkeit das Jagen verlernten. „Auch bei den Vögeln hat alles seinen Preis“, murmelte Masterchen fast unverständlich – auch wegen der geschlossenen Tür. Georg flog also in dieses Vogel-Schlaraffenland und zeigte sich nun fortwährend komischen Menschen, die so zwei Rohre mit Gläsern vor den Augen hielten,  um ihn besser zu betrachten. Georg flog hin und her und wie in den „Vogelgesprächen“ wurde seine Sehnsucht nach dem Wasser erfüllt und plötzlich zitierte er völlig korrekt, wie Siri sogleich flüsternd anmerkte, „einem Geschöpf wie mir genügt die leidenschaftliche Liebe zum Meer“ und etwas krächziger setzte er hinzu: „aber das Meer ist ein Element, das keine Treue kennt. Vertraue ihm nicht, sonst wird es dich letzten Endes überschwemmen.“ Damit hatte sich Georg verraten. Uns beiden war sofort klar, er ist schizophren geworden. Oder was meint ihr von einem Reiher, der augenscheinlich lesen kann? Woher sollte er sonst diese Überlieferung aus dem 13. Jahrhundert kennen? Masterchen dachte wohl wie wir, denn er fragte, wie er denn zu den Menschen stehe? Und da kam es heraus: Georg stellte sich oft vor, ein Mensch zu sein, ja, er stellte es sich ganz, ganz stark vor und in diesen Momenten wurde er zu einem. Und dazu noch zu einem Leser. Er hatte nämlich einem Vogelgucker „Birdy“ von William Wharton mit seinem langen Schnabel stiebitzt. „Und wenn ein Mensch zum Vogel werden kann, warum kann dann nicht auch ein Vogel zum Mensch werden?“, war seine Schlussfolgerung, als er den Roman ausgelesen hatte. So wurde er bisweilen zum Mensch wie auch einst der Kalif Storch zum Vogel wurde. Während dieser Schübe konnte er also lesen, was ihn jedoch nur umso mehr verwirrte, wie ihr gleich seht. Herr Reiher begann fürderhin die Menschen zu beobachten, wie sie ihn beobachteten. Ihm fiel auf, dass diese Menschen den Vögeln gar nicht so fern stehen: Birdwatcher treten im Schwarm auf, wechseln schnell die Orte und sitzen auch bisweilen in Bäumen. Aber fliegen können sie doch nicht“, warf Masterchen ziemlich untherapeutisch, wie wir fanden, ein. „Na doch!“, antwortete Georg, „sie haben für alles Maschinen.“ Dennoch gab Reiherchen nach einiger therapeutischer Intervention zu, dass Menschen nicht fliegen können und wer es versucht, endet wie dieser Schneider von Ulm, den schon Brecht ein Gedicht widmete. Dann kam ein Rückschlag:  „Und überhaupt“, meinte Herr Reiher triumphierend, „Harry Potters Eule Hedwig und Hans Huckebein der Unglücksrabe besitzen doch auch menschliche Züge wie schon Hugin und Munin bei den Germanen.“ Aber etwas später kam der erste Durchbruch. Reiherchen erkannte, dass unbeflügelte Wesen wie die Menschen, keinen Überblick haben. Deswegen stiften sie auch diese Verwirrung in der Natur. Dem stimmten wir geflügelten Buchfeen stumm nickend zu. Sagte nicht Masterchen einst „es irrt der Mensch, solange er denkt“? Und dieser Reiher war zum verwirrten Irrenden geworden, dem Masterchen als Mensch wenig helfen kann.  So sehen wir das. Aufschlussreich spannend fanden wir jedoch, was Reiherchen noch weiter bei den Menschen erkannte. „Menschen sind see-rious, alles müssen sie beäugen. Sie lieben den Kampf wie wir Vögel und …“ Ja, liebe Leserin und lieber Leser, das Weitere konnten wir leider nicht verstehen, da es von flattrigen Flügelgeräuschen überdeckt wurde.

Wir sprachen noch lange darüber, ob die Welt nicht von den Vögeln abstammt. Heißt es nicht in alten Schöpfungsberichten der Ägypter und Hindus „Am Anfang war das Ei“? Und Helena, die schönste Frau der Antike, soll auch aus einem Ei geboren worden sein, aber das wusste Georg Reiher nicht, sonst wäre er wohl noch größenwahnsinnig geworden und zum Glück hat Georg auch nicht das finnische Nationalepos „Kalevala“ gelesen, in dem unser ganzes Universum aus einigen Eiern (allerdings der Ente) entstanden ist.

Aber Ende gut, alles gut. 90 Minuten später sahen wir den Reiher mit hochgerecktem Kopf fröhlich davon fliegen.
„Sea you!“ verabschiedete sich Masterchen.
Jetzt musste Georg nur einige Edelfische vorbeibringen, um Masterchen zu bezahlen.

Ganz liebe Grüße aus dem Vogelparadies
Siri & Selma, Buchfeen 🙂 🙂

Masterchen lässt auch lieb grüßen und vielen Dank an die liebkluge Dina Bilderfee für die Idee xxx

Bloomsday

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Bloomsday

Es gibt keine Vergangenheit, keine Zukunft, alles verläuft in einer ewigen Gegenwart.
James Joyce

Masterchen ist allersehrst mit seinem Film beschäftigt. Unwirsch winkt er ab, als wir beiden Buchfeen ihn erinnerten, dass doch übermorgen am 16.06. der Bloomsday von allen Joyce-Fans gefeiert wird.
„Darüber schreibt doch eh jeder Feuilleton-Schreiberling der großen Zeitungen …“ Masterchen murmelte es und weg war er. So nehmen wir das in die Hand – selbst ist die Fee!

Wisst ihr, dass James Joyce wie Masterchen Nordistik studiert hat, allerdings spezialisierte sich Joyce auf die dänische und norwegische Literatur (er liebte Ibsen), Masterchen hatte es mehr mit Island und Schweden.
Hand aufs Herz, habt ihr den „Ulysses“ gelesen? Diesen dicken Wälzer, der, wie wir in der Feenschule lernten, am 16.6.1904 spielt, eben besagten Bloomsday, da Leopold Blooms Leben in Dublin an diesem Tag (für unseren Geschmack zu ausführlich) geschildert wird. Mit diesen Schilderungen, meinte unsere Lehrerin, habe Joyce die Technik des inneren Monologs begründet.

„Na, das sich hat der Joyce doch vom Hamsun abgeschaut“, sagte Masterchen beim Frühstück. „Okay, okay, dieser italienisierte Ire hat die Technik, Gedanken darzustellen, weiterentwickelt und konsequenter als Hamsun eingesetzt. Klar, der Zeitgeist, er schrieb ‚Ulysses‘, als Freud emsig das Unbewusste salonfähig machte – wie Schnitzler, dessen ‚Traumnovelle‘ übrigens immer noch amüsant und aufregend zu lesen ist. “

Aber dieser „stream of consciousness“ wie der innere Monolog auch genannt wird, macht einen Roman nicht gerade lesbar. Da werden wir Leser mit all diesen Gedanken, die den Figuren durch den Kopf gehen, bombardiert. Uns ist das zu subjektiv, um uns Vergnügen zu bereiten. Joyce wollte es schaffen, dass sich seine Leser vollständig mit den Protagonisten identifizieren, wodurch die Illusion entsteht, der Autor sei verschwunden. Was uns daran nicht gefällt, sind die teilweise sehr fragmentierten Sätze oder dass sich gar innerhalb eines Satzes die Aussage ändert und mit der zeitlichen Linearität hapert es auch. Wir Buchfeen haben schon erkannt, dass ihr Menschen chaotisch denkt. Wobei wir, wir geben es zu, mit roten Bäckchen die obzönen Stellen lasen, ja, ihr wisst schon, die berühmt-berüchtigten aus Mollys (Blooms Frau) Monolog im letzten Kapitel des „Ulysses“, der seitenlang ohne Satzzeichen dahinsprudelt – eben Assoziationsketten, wie sie Freud verfolgte.
Masterchen liebt jedoch den „Ulysses“, wie Bert Brecht lachte er beim Lesen. Kürzlich meinte er zum Nachtisch: „Seinen Status als Klassiker verdirbt den Genuss dieses Romans. Aber diese Sprachgewalt!“ Masterchens Augen beginnen zu blitzen, „Dieses Spiel mit der Sprache von stümperhaft stabreimend wie der störrische Wagner“, Masterchen zitiert: „Wellenweiß umwundene Worte, schimmernd auf blasser Flut.“ Kunstpause, dann fährt er in seinem Satz fort: „bis hin zu alkoholumnebeltem Lallen kühner Assoziationen, bizarren und zugleich treffenden Metaphern und Vergleichen – wie findet ihr das: ‚Meine eigene Kindheit krümmt sich da neben mir‚? – und dieser Cocktail aus Umgangssprache und höchster Poesie…“
Ja, ja, hier mussten wir seine Schwärmereien unterbrechen. Eh er verstummte, riet er uns uns noch:“Schlagt doch mal irgendeine Seite des ‚Ulysses‘ auf und lest. Die Joyce’sche Sprache wird auch euch sofort packen. Ich wette, a penny for a dime.“

Unsere Lehrerin sagte, dass die Assoziationen des intellektuellen Vatersuchers Stephen Daedelus (der auch in „The Portrait Of The Artist As Young Man“ auftritt), eine weitere Hauptperson des „Ulysees“, viele Anspielungen auf das Leben von Joyce beinhalten, denen ein Heer von Anglisten nachging. Joyce meinte über seinen Roman: „Ich habe so viele Rätsel und Geheimnisse hineingesteckt, dass es die Professoren Jahrhunderte lang in Streit darüber halten wird, was ich wohl gemeint habe, und nur so sichert man sich seine Unsterblichkeit.“

Bis ins fast völlig Unleserliche trieb der amerikanische Autor Willam Gaddis die Joyce`sche Technik in „Die Fälschung der Welt“, ebenfalls ein dicker Wälzer, den wir Feen nur unter Gefahr des Flügelbruchs heben können und der uns beim ersten Lesen keinerlei Kontinuität von Zeit zu beinhalten schien und in dem es dazu noch keine klassischen Hauptpersonen gibt. Man muss sich mit Buchfeen-Disziplin durcharbeiten und dennoch gibt es in Anlehnung an den Bloomsday auch einen Gaddis Day, der am 16.12.1999 erstmalig von Kölner Literaten begangen wurde. Allerdings, aber nur unter uns, Masterchen hat sich in „Die Fälschung der Welt“ sehr viel angestrichen, wir waren verblüfft.

Dann feiert gebührend den Bloomsday.
Eure Buchfeen Siri und Selma 🙂  🙂

Ein Zusatz von Masterchen:
In Deutsch sollte man beim „Ulysses“ unbedingt darauf achten, die hervorragende Übersetzung zu lesen, an der Hans Wollenschläger sechs Jahre arbeitete. Und noch etwas, Brecht empfand sich selbst als „Kompromissler“ in seiner Freude am „Ulysses“, der dem Leser zum Gegenteil seines Theater-Credos „Glotzt nicht so romantisch“ zwingt.

Siris Zitat, Karl May

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Siris Zitat, Karl May

Heute zum einhundertsten Todestag von Karl May am 30.3. ein richtig kerniges Zitat von ihm, das ich allerdings nicht gerade zu meinen Lieblingszitaten zählen würde:

„Worte sind für Kinder und Weiber; wir aber sind Männer und wollen Taten verrichten.“

Und das Erstaunlichste ist wohl, dass dies von einem Schriftsteller stammt.

Wie der Master liebe ich nicht Karl Mays moralistische Abenteuerromane. Wir haben auf unserer Ostreise fast gegenüber seinem Museum in Radebeul ein paar Tage gewohnt, aber weder Dina und der Master noch wir Buchfeen sind da reingegangen. Ob das daran lag, dass May Hitlers Lieblingsschriftsteller war (sorry, aber auch Bert Brecht las ihn mit Interesse, muss ich Selma BuchFee doch erwähnen)?
Aber er sah attraktiv aus, das muss ich schon sagen.
Und erstaunlich, Ernst Bloch bezeichnete Karl May als einen der besten deutschen Erzähler. Zumindest kann man Karl May nicht absprechen, dass er wie Joanne K. Rowling heute Jugendliche zum Lesen brachte.

Wie sein völliges Gegenteil Jean Genet begann Karl May im Gefängnis zu schreiben, in dem er dort nicht nur als Häftling die Bibliothek verwaltete und sich der Reiseliteratur widmete, sondern auch eine Liste der Titel und Sujets anlegte, worüber er schreiben wollte, die er später teilweise abarbeitete. Er war für einige Jahre der meistgelesene deutschsprachige Autor – naja, der Zeitgeist …

Am Ende seines Lebens war Karl May davon überzeugt, bei den Abenteuern Old Shatterhands dabeigewesen zu sein, manchmal meinte er auch Old Shatterhand selbst zu sein.

Und zum Schluss noch dieses Zitat Hellmuth Karasek (Über Karl May, Freuds Couch & Hempels Sofa):
„Ich habe den Radebeuler Schwadroneur des Nahen Ostens und Wilden Westens nie so verschlungen wie die meisten anderen Jungs, mir waren seine 600-Seiten-Schwarten zu wenig lustig und zu wenig Liebe drin, kein Sex.“

Mit lieben Grüßen
Euer Siri BuchFee

Buchtalk: Knut Hamsun

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Buchtalk: Knut Hamsun

Zu Hamsuns 60. Todestag am 19. Februar

„Einen Dank für die einsame Nacht, für die Berge, für das Rauschen der Finsternis und des Meeres, es rauscht durch mein Herz! Einen Dank für mein Leben, für meinen Atemzug, für die Gnade, heute Nacht leben zu dürfen, dafür danke ich von Herzen! Lausche nach Osten und lausche nach Westen, nein, lausche! Es ist der ewige Gott! Diese Stille, die gegen mein Ohr murmelt, ist das siedende Blut der Allnatur, Gott, der die Erde und mich durchwebt.“
Knut Hamsun, Pan

Knut Hamsun. Freundliche Leihgabe von Kirsten H. Rasmussen

Also, Ihr Lieben, heute Nacht war was los bei uns. Da hat doch unser Master völlig troddelig die Bücher Hamsuns zwischen Henrik Ibsen und Sigrid Undset ins Regal gestellt. An Schlaf war nicht zu denken, große Randale auf Regalbrett 3 Nord. Ich sage Euch, dieser störrische Hamsun ist wirklich ein Störenfried, ein grumpy old man, wie wir hier sagen. Ich glaube, Ibsen war ihm zu modern. Bei Ibsen war Nora vom Geist der Befreiung beseelt, während für Hamsun die Frauen unerreichbare, hehre Wesen waren. Naja, vielleicht war es einfach Neid, denn Ibsen war damals sooo viel bekannter als er. Dennoch sollte Ibsen – ich finde das völlig unberechtigt! – nie den Literaturnobelpreis erhalten, den Hamsun als zweiter Norweger im Jahre 1920 zugesprochen bekam – nach Bjørnstjerne Bjørnson, für dessen Bauernerzählungen er schwärmte. In seinem Werk „Mysterien“ bringt Hamsun wie in der mittelalterlichen Dichtung üblich einen Dichterkatalog, bei dem Ibsen zusammen mit Tolstoi und Maupassant schlecht wegkommen, wobei Bjørnson und de Musset sehr gelobt werden. Ja, Hamsun konnte Ibsen partout nicht leiden, was er laut herausposaunte und seine Beliebtheit nicht gerade steigerte. Hamsun war schon ein eigensinniger Querkopf.
Zur dritten norwegischen Nobelpreisträgerin Sigrid Undset verhielt sich Hamsun wie Feuer zu Wasser. Während Hamsun nicht nur auf die Verleihung des Friedensnobelpreises an von Ossietzky (1935) mit massiver Kritik reagierte und die Einrichtung von Konzentrationslagern rechtfertigte (Ossietzky befand sich im KZ Esterwegen) und 1943 Hitler und Göbbels in Deutschland besuchte, hat Sigrid Undset das besetzte Norwegen als Unterstützerin des norwegischen Widerstands verlassen müssen. Hamsun wurde im besetzten Norwegen als Dichter Nummer eins hoch gelobt, er war neben Karl May einer der Lieblingsschriftsteller von Hitler, der „Segen der Erde“ als Blut-und-Boden-Literatur goutierte. Allerdings sollte sich das nach dem Krieg drastisch ändern. In seinem Eigensinn schrieb Hamsun noch einen Nachruf auf Hitler und dann ging`s bergab mit ihm. Er wurde nach dem Krieg als Landesverräter verhaftet, zu einer ruinösen Geldstrafe verurteilt und eine Zeitlang in die Psychiatrie eingewiesen, worauf er 1949 in „Auf überwachsenen Pfaden“ eingeht und reuelos seine Haltung rechtfertigte. Erst zu Hamsuns 150. Geburtstag 2009 schlossen die Norweger offiziell mit ihm Frieden, indem die Königin die feine Unterscheidung zwischen Hamsun als Autor und als Person machte. Und wir beide Feen müssen zugeben, dass wir in Hamsuns Romanen keine faschistischen Stellen gefunden haben – wirklich nicht! Als Sigrid Undset gleich nach dem Krieg nach Norwegen zurückkehrte, wurde sie hoch gelobt und ausgezeichnet, Hamsuns Werke dagegen wurden von einigen Norwegern vernichtet, wie es Lars Saabye Christensen in seinem Roman „Der Halbbruder“ beschreibt: „Der Autor war während des Krieges ein Lümmel. Deshalb haben wir seine Gesammelte Werke hier im Kaminofen verbrannt.“

„Jetzt hast du dich über Hamsuns politische Einstellung mokiert, aber wo bleibt der Dichter Hamsun?“, kritisiert mich Selma. „Naja, der Hamsun ist einer, der mehr gelobt als gelesen wird“, rechtfertige ich mich, die mit Hamsun ihre Schwierigkeiten hat. Ehrlich gesagt, finde ich Hamsun langweilig. Klar, das weiß ich doch als BuchFee, hat Thomas Mann Hamsun hoch gelobt. Er bezeichnete ihn als den würdigsten Nobelpreisträger und sicher hat dieser norwegische Querkopf moderne Techniken des Romans wie den inneren Monolog und die erlebte Rede vorbereitet, auf ihn konnten Joyce und Proust aufbauen und selbst zeitgenössische norwegische Autoren wie Saabye Christensen und (Masters verehrter) Jan Kjærstad beziehen sich Hamsun, wie auch Ernest Hemingway, Hermann Hesse, H.G. Wells, Henry Miller, Bert Brecht und Robert Musil. Dennoch fand ich Hamsun einschläfernd. Er wird ja wegen seiner Landschaftsbeschreibungen und Naturmystik gelobt, ich fand jedoch außer in „Pan“ und „Die Schwärmer“ nicht viel davon. Nach all der Hamsun-Leserei griff ich abends im gemütlichen Kuschelbettchen zu Georg Engels Roman „Zauberin Circe“. Im Gegensatz zu Hamsun ist sein Zeitgenosse, der Bestsellerautor Engel, heute völlig vergessen, aber wer Naturschwärmereien liebt, der sollte lieber zu Engel als zu Hamsun greifen.

Unser Master sprach ganz verwirrt von „Hamundsen“ als wir gemeinsam die alte Hamsun-Ausgabe auf der Suche nach Naturmystik durchblätterten, als ob Amundsen und Hamsun etwas gemeinsam hätten – oder doch? Wie dem auch sei, naturmystische Schilderungen fanden wir in „Pan“ und „Die Schwärmer“ (dort nur in winzigen Abschnitten), ein Loblied auf die Erde und das bäuerliche Leben in „Segen der Erde“, das Masterchen, Dina und ich als seinen lesenswertesten Roman fanden. Dies war der einzige Roman Hamsuns, bei dem ich wissen wollte, wie er ausgeht. Große Schwierigkeiten hatte ich, „Mysterien“ zu lesen, einen Roman bei dem ich bis heute nicht verstanden habe, warum Hamsun – für mich völlig unmotiviert – ständig zwischen Präteritum und Präsenz wechselt. Oder sollte das an den schlechten Übersetzungen liegen, angesichts derer unsere liebe zweisprachige Dina sich die Haare raufte.
Sicherlich waren Hamsuns psychologische Überlegungen damals acht Jahre vor Freuds Erscheinen der „Traumdeutung“ neu, heute wirken sie jedoch wie abgestanden Altbekanntes. Das Skurrile und Fantastische der Geschichte hätte selbst ich besser verdichten können. Diese überzogene Liebesgeschichte war ja fast so exaltiert wie Goethes Bestseller „Die Leiden des jungen Werther“, der heute nicht ohne Lachkrämpfe zu lesen ist. Dennoch schuf Hamsun mit Nagel, dem wundersamen Exzentriker und Hysteriker in „Mysterien“ einen postmodernen Helden, wie auch in jenem erfolglosen, ja lächerlichen Schreiberling in „Hunger“. Der Versager als Held, das hört sich nach einem Nihilismus á la Nietzsche an, meint Masterchen – oder sollte sich dahinter Hamsuns panische Angst vor dem Alter verbergen?
In „Viktoria“ werden Liebe und Sexualität als Naturmächte, denen der Mensch ausgeliefert ist, überhöht. Und immer schreibt Hamsun gegen die böse Großstadt und den Fortschritt an, auch ein Thema in „Hunger“, der Roman, der seinen Weltruhm begründete, unter anderem deswegen, da er auf den damals üblichen vermittelnden Erzähler verzichtete und eindringlich aus der Ich-Perspektive erzählt. Man kann dieses Buch nicht weglegen oder schmeißt es nach den ersten drei Seiten ins Feuer, schrieb treffend ein Rezensent.
Mich hat es ja fast von meinem Regal geworfen, als ich „August Weltumsegler“ las, die Geschichte eines Spekulanten, die sich fast wie eine Vorausschau der heutigen Finanzkrise liest. Dort unterstrich ich dick: „Der Mensch will höher fliegen, als ihm die Flügel dazu gewachsen sind. Da fällt er herunter.“

„Wenn wir dann eine Zeitlang gewandert sind, dann wandern wir noch eine Weile; wir wandern einen Tag, darauf eine Nacht, und endlich in der Dämmerung des nächsten Tages ist die Stunde gekommen, und wir werden getötet, in Ernst und Güte getötet. Das ist der Roman des Lebens mit dem Tod als letztem Kapitel. Das ist alles so mystisch.“ (Knut Hamsun, Das letzte Kapitel) Hamsun starb vor 60 Jahren auf seinem Gut Nørholm bei Grimstad.

Meine Schwester Selma pocht darauf zu erwähnen, dass es noch heute glühende Hamsun-Fans gibt. Wer sich für „Hamsunika“ interessiert, der schaue sich mal diese österreichische Seite an.

Grüße vom Master und meiner Schwester Selma
Eure Siri BuchFee