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Black Shuck/Wolf

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Black Shuck/Wolf

Hallo, hallo, hier schreibt Selma BilderFee,

so viele von euch haben unsere Seite gefunden, indem sie den schwarzen Geisterhund, jenen von Baskerville, gesucht haben, dass ich euch jetzt drei Bilder von diesem Gruseltier zeigen möchte. Brühmt-berüchtigt wurde dieses virtuelle Untier, das in Sagen und der Literatur sein Unwesen treibt, durch Arthur Conan Doyle, dem Vater von Sherlock Holmes. Dass Conan Doyle von diesem grausamen Fabeltier, das an unserer Küste sein Unwesen trieb oder gar noch treibt, in Cromer/Norfolk beim Golfen hörte, schrieben wir ja bereits in einem früheren Blogbeitrag.

„Warum gruselt es den meisten Leuten derart vor diesem schwarzen Hund, der wie im unteren Bild meist mit roten Augen dargestellt wird?“ fragte ich meine liebkluge Schwester Siri. Sie meinte, die Angst wirke aus alten Schichten unseres Bewusstseins, aus jenen Zeiten, als die Menschen noch real von Wölfen bedroht wurden. Diese Angst wurde dann auf wölfisch reißende, menschenverschlingende Hunde aus der Literatur übertragen – übrigens nicht ohne Angstlust.

The Dog of Baskerville, also ich möchte ihn nicht begegnen, auf gar keinen Fall

Also Leute, wenn es euch jetzt nicht gruselt … Das ist „The Black Shuck“

Das Gespenst selbst, der schwarze Hund, also, ich zittere vor Angst, wenn ich nur über ihn lese

Findet ihr nicht auch, Rotkäppchens Wolf ist dagegen geradezu niedlich, weil er so vermenschlicht wurde und der Mensch über ihn siegt – so ist`s halt bei den Grimms, die die Märchen nach ihrem Gutdünken veränderten.

Auf den menschenfreundlichen Wolf bzw. Hund machte uns die liebe Dina, die Hundefreundin, aufmerksam. Ihn finden wir bei Jack London in seinen beiden Geschichten „Wolfblut“ und „Ruf der Wildnis“, wo der Mensch sogar zum Rudelführer wird – naja, das erinnerte Siri BuchFee sogleich an Romulus und Remus, die Gründer Roms, die der Sage nach von einer Wölfin groß gezogen wurden, wie Plutarch und Dionys von Halikarnass berichteten – so muss es ja stimmen. Außerdem wurde diese kapitolinische Wölfin, die Säugende, mit Romulus und Remus als kleine Wichte unter ihren Zitzen gern dargestellt.

Aber damit genug der „lieben Wölfe“, eigentlich sind sie spätestens seit Ovids Metamorphosen voll böse – so wie der Black Shuck Norfolks. Ovid erzählt, wie der König Lycaon seine Gefangenen als Speise zubereitet, wofür er ob seiner Grausamkeit in das entsprechende Tier verwandelt wird, nämlich den Wolf. Auch Daniel Defoe lässt uns angesichts der Wölfe erschauern, wenn nach der Befreiung von Robinson Crusoe und Freitag beim Überqueren der Pyrenäen einige ihrer Mitreisenden von Wölfen gefressen werden – fein gruselig beschrieben. Und natürlich darf beim Klassiker der Schauerliteratur, bei Bram Stokers „Dracula“, der Wolf nicht fehlen. Graf Dracula, so liest man dort, erlebt das Wolfsgeheul als feine Musik. Übrigens sieht Graf Dracula die Wölfe als freie Menschen an und bezieht sich damit auf die Verwandten der Vampire, die Werwölfe.

Siri BuchFee erzählt mir gerade, dass der Wolf als Todessymbol von Ted Hughes in seinem Gedicht „Life After Death“ verwandt wird, das er unmittelbar nach dem Suizid seiner Frau Sylvia Plath schrieb. Dort hören seine beiden Kinder und er die Wölfe im Londoner Zoo nachts heulen. Außerdem schrieb er das endlose Gedicht „Wolfwatching“ über den alten und jungen Wolf, naja, etwas deprimierend …

In „Tausendundeine Nacht“ fand Siri den Schätze bewachenden Wolfshund mit tellergroßen Augen vor (übrigens nur in der verbreiteten Salonausgabe, die Goethe liebte, nicht im Original, das aber wahrscheinlich nicht in eurem Bücherregal steht) und wer noch mehr virtuelle Gruselhunde und Wildwölfe treffen möchte, der mag ja mal „wolves in fiction“ googeln, da kann er mit vielen Wölfen tanzen, wenn er nicht gefressen wird.

Wetterfahne in East Anglia

Black Shuck: Wetterfahne auf einem Haus in East Anglia – bei uns in der Nähe, wo er nun schon in der Luft sein Unwesen treibt

Einen gruselfeinen Abend wünscht euch
Selma BilderFee

Da der Black Shack symbolisch dem Wolf zugerechnet wird, habe ich, die emsige Siri BuchFee, Auszüge aus des Masters Lexika „Welt der Symbole“ und „Handbuch der Traumsymbole“ zusammengeschrieben – huch, hoffentlich ist der Master deswegen nicht böse, pssst, nicht weitersagen.

Wolf und Mensch verhalten sich zueinander wie Natur und Kultur, wie unbewusst Triebhaftes und bewusste Kultur. Mit ihm erinnern wir uns an die Ursprünge unserer Kultur, da der Mensch nicht nur Verhalten vom Wolf lernte, sondern sich auch als erste Bekleidung den Wolfpelz überwarf. Diese Erinnerungen treten im Wolfsmotiv der Märchen und Volkserzählungen wieder an die Oberfläche. Der Wolf war aber auch einer der größten Konkurrenten des Menschen ums Fleisch.
Kaum ein anderes Tier regte die menschliche Fantasie mehr an als der Wolf. Er spielte eine hervorragende Rolle in unserer Kulturgeschichte als Sinnbild des Bösen. Heute ist eher faszinierendes Symbol des Wilden und Objekt unkritischer Idealisierung und Romantisierung.
1988 berichteten im „Journal Of Psychological Medicine“ führende Psychiater des McLean Krankenhauses (Boston) von Fällen der Lycanthropie, d.h. Verwandlungen von Menschen in ein Tier. Der betreffende Mensch fühlt sich nicht nur wie ein Tier, er verhält sich auch so. Bei diesen Verwandlungen ist die in einen Wolf beliebt, was zeigt, dass das Wölfische dem Menschen immanent ist und in seinem Unbewussten eine wichtige Rolle spielt (Werwolf).
Der Wolf ist ein listiges Raubtier, gilt als habgierig und hungrig. So verbildlicht er den Schatten der männlichen Sexualität. Allerdings wurden im antiken Rom auch die Prostituierten „lupae“ (Wölfinnen) genannt.
Die Wölfin symbolisiert die nährende Kraft der Natur. Dies schwingt im Märchen vom Rotkäppchen mit, in dem der Wolf nicht nur die Großmutter frisst, sondern sie auch ist. Bruno Bettelheim allerdings sieht das Wolfsmotiv im Rotkäppchen als Symbol für den pubertären Kampf des Mädchens, das sich zwischen Lust- und Realitätsprinzip hin- und hergerissen fühlt.
Die Inuit sehen den Wolf als das dem Menschen ähnlichste Tier an, da Wölfe einander töten und unterstützen und in der Gruppe jagen. Im Christentum wird er dämonisiert, da er sich auf die Lämmer (die Gläubigen) stürzt.
Das Gleichnis vom Wolf und Lamm gehört zum Standard einer Fabelsammlung seit der griechisch-römischen Zeit. Immer betont das Lamm, dass der Wolf kein Recht habe, es zu fressen, worauf der Wolf betont, das Lamm habe kein Recht, sich als Fressen zu verweigern. Luther, Hans Sachs, La Fontaine, Lessing und Hagedorn nahmen dieses Bild, um vor den Mächtigen zu warnen. Bei Äsop wird der Wolf stets negativ gesehen.
Im Bild des Steppenwolfs aus Hermann Hesses Roman wird der Wolf zum Sinnbild des einsam Suchenden und Leidenden. Es steht nicht das Bösartige des Wolfes im Vordergrund, sondern die einsame Suche nach dem Sinn des Lebens. Der Wolf wird zum Bild des heroisierten Einzelgängers.
Neben dem Film „Der mit dem Wolf tanzt“ wurde der Wolf in der Kunst durch Farley Mowats Roman „Never Cry Wolf“ (1963) (und dessen Verfilmung) populär gemacht. Die Comic-Figur Ede Wolf trat zuerst in einem Zeichentrickfilm von Walt Disney 1933 auf. Er bedroht die Drei Kleinen Schweinchen. Sein hervorstechendes Charakteristikum ist die zwangsneurotische Fixierung auf das Fangen der Schweinchen.

da ist er doch schon wieder ...

da ist er doch schon wieder, der rotäugige Hund von Baskerville

© Klausbernd Vollmar, Cley/Norfolk 2012