Das nebligkalte Totenreich oder der Eingang zur Feuerhölle
The cold and foggy realm of the dead or the entrance to the fires of the hell
„Wohin auch immer wir reisen, wir suchen, wovon wir träumten, und finden doch stets nur uns“
„Wherever we travel to, whatever we are seeking for, we always find ourselves“
Günter Kunert (German writer)
Uns Buchfeen hat besonders dieser Abschnitt von Masterchens Text verblüfft. Obwohl uns im Feenreich jede Vorstellung einer Hölle fehlt, fanden wir es doch spannend, wie die Menschen von diesem imaginären Ort besessen waren. „Masochistische Gedankengifte!“, meinte Siri. Erstaunlich ist, wie die Hölle mal als kalt und dann als brennend heiß gesehen wurde. Aber in einem imaginären Ort, dessen Vorstellung über Jahrhunderte der Disziplinierung der armen Christenmenschen diente, kann man eben alles hineinsehen, die Hauptsache war, er ließ den Sünder erschauern.
We Bookfayries were very much astonished about this paragraph of our Master`s text. Although we don`t have any concept of hell in our fairy world, we find it fascinating how much human beings have always been obsessed by this imaginary place. „That`s masochistic, a poisonous way of thinking!“ commented Siri.
Isn`t it amazing how the hell was sometimes seen as cold and sometimes as burning hot? But such an imaginary place, which served for disciplining the poor believers for centuries, is open to every projection. It should frighten the believers, only that was important.
KÄLTE
COLD
Einer der ältesten überlieferten „Reiseberichte“ vom Norden stammt vom Geografen Pytheas von Massilia (das heutige Marseille). Pytheas (380-310 vor unserer Zeitrechnung) brillierte als genauer Beobachter, der als erster feststellte, dass die Gezeiten vom Lauf des Monds abhängig sind, außerdem geht die Astronavigation auf ihn zurück. Er war es, der den Begriff „Ultima Thule“ nicht nur prägte, sondern auch vorgab, auf seinen Reisen diesen Ort gesehen zu haben. Freilich stellt sich die Frage wie bei allen Reisenden bis zu Marco Polo, welche Reisen er damit gemeint hat – die inneren oder die äußeren? Wie weit Pytheas in den Norden kam, weiß niemand. Sicher ist, dass er die Antike am Norden interessierte. Gebildete kannten damals den Arktoi, den Eisbären, dessen vage Vorstellung man wie die Götter an den Himmel projizierte. Es bürgerte sich ein, das Land unter dem Sternbild des Bären „Arktis“ zu nennen. Sie galt als letzter Außenposten vor dem Abbruch der Welt ins Nichts, wo bekanntlich die Schiffe herunterfallen, wenn sie weitersegelten, nachdem der unselige Kapitän seine Kleider in Panik zerfetzte und sich den Bart ausriss, wie es in arabischen Erzählungen, die klassisches Gedankengut bewahrten, beschrieben wird (z.B. in Tausendundeine Nacht in der Geschichte von Sindbad). Hier fällt der Seefahrer ins Totenreich, das nach antiker Vorstellung ein Ort des kalten Nebels ist, eine eisige Hölle.
One of the oldest journals about travelling North was written by the geographer Pytheas of Massillia (which we call „Marseille“ today). Pytheas (380-310 B.C.) was a brilliant observer. He was the first one finding out that the tides are depending on the phases of the moon and he established star navigation as well. It was him who coined the phrase „Ultima Thule„. But not only this, he pretended to have seen Ultima Thule on his travels. We Bookfayries ask the question if his were journeys in the outside world or journeys into his inner worlds, a question one could ask all the travellers up to the times of Marco Polo. Nobody knows how far North Pytheas reached. But it was him who raised the interest in the North of the antique world. The educated people of the classic Greece times knew the „Arctoi„, the polar bear, but this was a vague conception that was projected into the heavens like the concepts of the Gods. From those times onwards the area under this constellation of the „Arctoi“ was called „Artic“. The Artic was considered as the last outpost before the end of the world, before that nothingness in which ships would vanish if they sailed further on, when the captain tore his clothes in panic and pulled out his beard like in the tales of Thousandandone Nights which preserved quite some ideas of the ancient classic world. The Artic was the place where the mariner would fall into the realm of the dead which was seen as the place of icy fog, as a cold hell.
Charakteristisch für dieses frühe Bild des Nordens ist, dass das Unbekannte eine Projektionsfläche darstellt, auf der sich Inhalte unbewusster Ängste darstellen. Im Unbewussten sedimentieren Vorstellungen, die sich zu Archetypen kristallisieren, die bis hin zu den eisigen Höllenvorstellungen von Dantes „Göttliche Komödie“ wirkten. Der Norden wurde vom hyperboräischen Paradies zum nebligkalten Ort des Todes, ein Hintergrund, der wesentlich für die Heldenverehrung der Polarforscher speziell im 19. Jahrhundert war (bis diese zur Zeit von Shackletons missglückter Endurance-Expedition vom Kriegshelden verdrängt wurden).
It`s typical for this early picture of the North that the unknown provided a perfect screen for projections of unconscious fears. These concepts crystallized in a kind of archetype of the icy hell as you find it in Dante`s „Divina Comedia“ as well. The picture of the North underwent a change from the Hyperborean paradise to the icy and foggy realm of hell. These ideas are the background of the hero worship of the Artic explorers especially during the 19th c. It did not change before Shakleton`s Endurance expedition to the Antarctic during the first WW when it was replaced by war heroes.
Pytheas Werk „On the Ocean“ ist verloren gegangen. Wir kennen es nur durch spätere Autoren. Genauer kann sich der interessierte Leser bei Tozer informieren:
H.F. Tozer: History of Ancient Geography (Cambridge 1897)
Pytheas manuscript „On the Ocean“ got lost. We know it only from later authors who mention and quote it. If you are interested you may read more about it in
H.F. Tozer: History of Ancient Geography (Cambridge 1897)
HITZE
HEAT
Lange nach Pytheas entstand im frühen, keltisch geprägten Christentum ein Traum vom Norden, der sich an Brendan (488-578) und sein Seereisen festmacht. Irische Mönche suchten den paradiesischen Ort im Norden, an dem sie ungestört in lieblicher Umgebung Gott nahe seien konnten, und fanden die Hölle.
In early Celtic Christianity, a long time after Pytheas writings, emerged another dream of the North which goes back to Brendan (488-578) and his sailings up North. Brendan with some Irish monks was looking for a paradise where they could worship God undisturbed in lovely surroundings – but they found hell.
Im 8. Jahrhundert wurden die Seereisen des Mönchs Brendan unter dem Titel „Navigatio Brendani“ zu einem Seefahrermythos vereint. Freilich wurde dieses Epos erst mehrere Generationen nach Brendan niedergeschrieben. Für ihn war Ultima Thule mit der Hölle verbunden und für Christen war die Hölle ein Ort des Feuers. Brendan will auf seiner wohl eher inneren Reise einen feuerspeienden Berg gesehen haben, der so schrecklich war, dass er für ihn den Eingang zur Hölle darstellte. Das kann der Beerenberg, der nördlichste Vulkan unseres Planeten auf Jan Mayen, gewesen sein, aber er mag auch isländische Vulkane erlebt haben oder von geografisch unspezifischen Träumen seiner Zeit geprägt worden sein.
The accounts of Brendan`s sailings were compiled under the title „Navigatio Brendani“ not before the 8th century, they were written down some generations after Brendan. For Brendan „Ultima Thule“ was close connected with the hell and as he was a Christian hell was a place of fire. Brendan reports of having seen a fire-breathing mountain on his travels far North – and again it is not clear if he speaks of an inner journey or a journey in the outside world. This fire-breathing mountain was for him without any doubt the entrance to hell. If Brendan`s journeys were „real“ he might have seen the Beerenberg, the farthest north volcano of our planet situated on Jan Mayen, or it might have been the Islandic volcanos farther South – or did he imagine all this following the zeitgeist?
Die an das Feuer gebundene Höllenvorstellung der Christen führte etwa tausend Jahre später bei der Missionierung der Inuit zu völligem Unverständnis. Für die Inuit wurde das wärmende und lichtspendende Feuer durchweg positiv gesehen. Eine christliche Hölle mit Feuer war für sie ein begehrenswerter Ort.
The Christian concept of hell and purgatory caused a total lack of understanding during the proselytisation of the Inuit about a thousand years later. Fire was seen as highly positive by the Inuit as it radiates warmth and light and so they thought of hell as a place to be, a kind of paradise.
Lit.: Brendan: Navigatio Sancti Brendani (8.Jh.)
Wenn man in solcher Enge die See befährt, nimmt es nicht Wunder, dass man von Höllenvorstellungen heimgesucht wird, meinen wir Buchfeen. Uns gefällt bei diesem illuminierten Manuskript der Fisch in der Form des Oroboros-Symbols. Dass hier der Fisch statt die übliche Schlange gewählt wurde, die sich in den Schwanz beißt, geht auf den Fisch als Symbol der Christen zurück, das heute zum Auto-Sticker verkommen ist.
Und wisst Ihr, dass es auch Höllen in Bibliotheken gibt? Ja, da wundert Ihr Euch. „Kleine Höllen“ – der Fachausdruck lautet „Enfer“ (von L`Enfer die Hölle) – nennt man die Sammlungen pornografischer Bücher in Bibliotheken, Bücher, die bei Masterchen auf Regalbrett 5 stehen. Im Britischen Museum gibt es diese Höllen wie in der Bibliotheque National in Paris. Na, und wo sich die größte Hölle befindet, könnt Ihr Euch sicher vorstellen. Habt Ihr es geraten? Klar doch, in der Bibliothek des Vatikan mit 25.000 Bänden.
If you travel that crowded on a boat we Bookfayries find it quite normal to get ideas of the hell. We like the form of the fish in this illuminated manuscript. That`s the archetypal Oroboros-symbol. Usually it`s the serpent who eats its tail but the fish is chosen because the fish is the symbol for the Christians which you find today as a car sticker.
Do you know that hells really exist? You find them in libraries! The special term is „L`Enfer“ or short „Enfer“, these are the collections of pornography as you find them in the British Museum and the Bibliotheque National at Paris. But we supposed you have guessed where the biggest hell is to be found. Of course in the Vatican with more than 25.000 books.
So, das waren Masterchens Überlegungen zur Hölle. Wir würden nicht mit J.P. Sartre sagen „Die Hölle das sind die anderen“, sondern „Die Hölle machen wir uns selbst“. Was meint ihr denn dazu? Grade gab uns Masterchen noch ein lustiges Zitat, von dem er leider nicht mehr wusste, woher er es hat: „Hell is the carrot and the stick in the chain letter that is Christian religion“.
These were our Master`s ideas about the hell. We would not say with J.P. Sartre the hell are the other people but „We produce our own hell for ourselves“ – or what do you think? Our Master just gave us a funny quote, unfortunately he has forgotten where he has taken it from: „Hell is the carrot and the stick in the chain letter that is Christian religion“.
Das nächste Mal werden wir über die verrückte Hohlerd-Theorie schreiben, die in der faschistischen Thule-Gesellschaft verbreitet wurde, aber auf die Engländer Sir Isaac Newton und Edmond Halley (dem Kometen-Kerl) zurückgeht. Bis dann, eine rundum feine Woche für euch alle
In our next post we will write about this crazy hollow-earth theory which was spread by the fashistic Thule-society but goes back to Sir Isaac Newton and Edmond Halley – the comet-guy. See you and have a happy week
Siri and Selma, Master`s busy Bookfayries 🙂 🙂
All photography © by Klausbernd Vollmar, the illumination of Brendan is taken from Google archives