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Bloomsday

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Bloomsday

Es gibt keine Vergangenheit, keine Zukunft, alles verläuft in einer ewigen Gegenwart.
James Joyce

Masterchen ist allersehrst mit seinem Film beschäftigt. Unwirsch winkt er ab, als wir beiden Buchfeen ihn erinnerten, dass doch übermorgen am 16.06. der Bloomsday von allen Joyce-Fans gefeiert wird.
„Darüber schreibt doch eh jeder Feuilleton-Schreiberling der großen Zeitungen …“ Masterchen murmelte es und weg war er. So nehmen wir das in die Hand – selbst ist die Fee!

Wisst ihr, dass James Joyce wie Masterchen Nordistik studiert hat, allerdings spezialisierte sich Joyce auf die dänische und norwegische Literatur (er liebte Ibsen), Masterchen hatte es mehr mit Island und Schweden.
Hand aufs Herz, habt ihr den „Ulysses“ gelesen? Diesen dicken Wälzer, der, wie wir in der Feenschule lernten, am 16.6.1904 spielt, eben besagten Bloomsday, da Leopold Blooms Leben in Dublin an diesem Tag (für unseren Geschmack zu ausführlich) geschildert wird. Mit diesen Schilderungen, meinte unsere Lehrerin, habe Joyce die Technik des inneren Monologs begründet.

„Na, das sich hat der Joyce doch vom Hamsun abgeschaut“, sagte Masterchen beim Frühstück. „Okay, okay, dieser italienisierte Ire hat die Technik, Gedanken darzustellen, weiterentwickelt und konsequenter als Hamsun eingesetzt. Klar, der Zeitgeist, er schrieb ‚Ulysses‘, als Freud emsig das Unbewusste salonfähig machte – wie Schnitzler, dessen ‚Traumnovelle‘ übrigens immer noch amüsant und aufregend zu lesen ist. “

Aber dieser „stream of consciousness“ wie der innere Monolog auch genannt wird, macht einen Roman nicht gerade lesbar. Da werden wir Leser mit all diesen Gedanken, die den Figuren durch den Kopf gehen, bombardiert. Uns ist das zu subjektiv, um uns Vergnügen zu bereiten. Joyce wollte es schaffen, dass sich seine Leser vollständig mit den Protagonisten identifizieren, wodurch die Illusion entsteht, der Autor sei verschwunden. Was uns daran nicht gefällt, sind die teilweise sehr fragmentierten Sätze oder dass sich gar innerhalb eines Satzes die Aussage ändert und mit der zeitlichen Linearität hapert es auch. Wir Buchfeen haben schon erkannt, dass ihr Menschen chaotisch denkt. Wobei wir, wir geben es zu, mit roten Bäckchen die obzönen Stellen lasen, ja, ihr wisst schon, die berühmt-berüchtigten aus Mollys (Blooms Frau) Monolog im letzten Kapitel des „Ulysses“, der seitenlang ohne Satzzeichen dahinsprudelt – eben Assoziationsketten, wie sie Freud verfolgte.
Masterchen liebt jedoch den „Ulysses“, wie Bert Brecht lachte er beim Lesen. Kürzlich meinte er zum Nachtisch: „Seinen Status als Klassiker verdirbt den Genuss dieses Romans. Aber diese Sprachgewalt!“ Masterchens Augen beginnen zu blitzen, „Dieses Spiel mit der Sprache von stümperhaft stabreimend wie der störrische Wagner“, Masterchen zitiert: „Wellenweiß umwundene Worte, schimmernd auf blasser Flut.“ Kunstpause, dann fährt er in seinem Satz fort: „bis hin zu alkoholumnebeltem Lallen kühner Assoziationen, bizarren und zugleich treffenden Metaphern und Vergleichen – wie findet ihr das: ‚Meine eigene Kindheit krümmt sich da neben mir‚? – und dieser Cocktail aus Umgangssprache und höchster Poesie…“
Ja, ja, hier mussten wir seine Schwärmereien unterbrechen. Eh er verstummte, riet er uns uns noch:“Schlagt doch mal irgendeine Seite des ‚Ulysses‘ auf und lest. Die Joyce’sche Sprache wird auch euch sofort packen. Ich wette, a penny for a dime.“

Unsere Lehrerin sagte, dass die Assoziationen des intellektuellen Vatersuchers Stephen Daedelus (der auch in „The Portrait Of The Artist As Young Man“ auftritt), eine weitere Hauptperson des „Ulysees“, viele Anspielungen auf das Leben von Joyce beinhalten, denen ein Heer von Anglisten nachging. Joyce meinte über seinen Roman: „Ich habe so viele Rätsel und Geheimnisse hineingesteckt, dass es die Professoren Jahrhunderte lang in Streit darüber halten wird, was ich wohl gemeint habe, und nur so sichert man sich seine Unsterblichkeit.“

Bis ins fast völlig Unleserliche trieb der amerikanische Autor Willam Gaddis die Joyce`sche Technik in „Die Fälschung der Welt“, ebenfalls ein dicker Wälzer, den wir Feen nur unter Gefahr des Flügelbruchs heben können und der uns beim ersten Lesen keinerlei Kontinuität von Zeit zu beinhalten schien und in dem es dazu noch keine klassischen Hauptpersonen gibt. Man muss sich mit Buchfeen-Disziplin durcharbeiten und dennoch gibt es in Anlehnung an den Bloomsday auch einen Gaddis Day, der am 16.12.1999 erstmalig von Kölner Literaten begangen wurde. Allerdings, aber nur unter uns, Masterchen hat sich in „Die Fälschung der Welt“ sehr viel angestrichen, wir waren verblüfft.

Dann feiert gebührend den Bloomsday.
Eure Buchfeen Siri und Selma 🙂  🙂

Ein Zusatz von Masterchen:
In Deutsch sollte man beim „Ulysses“ unbedingt darauf achten, die hervorragende Übersetzung zu lesen, an der Hans Wollenschläger sechs Jahre arbeitete. Und noch etwas, Brecht empfand sich selbst als „Kompromissler“ in seiner Freude am „Ulysses“, der dem Leser zum Gegenteil seines Theater-Credos „Glotzt nicht so romantisch“ zwingt.

Siris Lieblingszitate: August Strindberg

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Siris Lieblingszitate: August Strindberg

Wirkliche Schönheit kann ohne Güte nicht existieren; denn es sind nicht die Züge allein, sondern es ist der Ausdruck, der den Zügen ihren übernatürlichen Reiz gibt.

August Strindberg

Heute vor einhundert Jahren starb in Stockholm einer der produktivsten und bekanntesten Dichter Schwedens. Verrückt wie Hölderlin und wie dieser im Turm lebend schrieb er teilweise manisch und hinterließ zehn Romane, 60 Stücke, Novellensammlungen und etwa 8000 Briefe. Wenn Sie mich fragen, was man von Strindberg lesen sollte, empfehle ich den satirischen, sozialkritischen Roman „Das rote Zimmer“, der 1879 veröffentlicht wurde. Er war ein großer Erfolg, der Strindberg vor dem Ruin rettete. Im Grunde ist „Das rote Zimmer“ ein Künstlerroman wie Hamsuns „Hunger“, der neun Jahre später geschrieben wurde, allerdings ist er nicht derart deprimierend. Aber fast verhungernde Künstler treten auch hier auf, was Bezug zu Strindbergs Leben hatte, der ohne den Erfolg dieses Romans elend wie der Ich-Erzähler in Hamsuns Roman oder wie „Der arme Poet“ (Spitzweg) geendet wäre.

Buchfeengrüße vom kleinen Dorf am Meer
Siri – und Selma hat auch mitgeholfen 🙂

Buchtalk: Die Dina-Trilogie von Herbjørg Wassmo

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Buchtalk: Die Dina-Trilogie von Herbjørg Wassmo

Im schrulligen alten England pflegen wir Bücher zu lesen, durch wir uns mit viktorianischer Disziplin von Seite zu Seite quälen, um beim Dinner  ironisch über sie zu berichten. Gekämpf habe ich mit den fast 2000 Seiten der Dina-Trilogie nicht, die  – und das stimmt wirklich, ich schwöre – Dina (meine norwegische Freundin) vor einiger Zeit für meine Bibliothek nordischer Literatur spendete. Zu Unrecht wurde die norwegische Schriftstellerin Herbjørg Wassmo erst durch den Film „Dina – meine Geschichte“ (mit Maria Bonnevie und Gérard Depardieu) in Deutschland bekannt. In Skandinavien gilt sie seit Beginn der achtziger Jahre als eine der führenden Autorinnen, die mit Literaturpreisen überhäuft wurde.

Ihre Romane durchweht eine für die nordische Literatur übliche Schwermut. Sie stehen bei mir im Wohnzimmerregal – was einer Ehrung gleichkommt -zwischen Sigrid Undsets und Knut Hamsuns Werken, wo sich die drei dicken Taschenbücher rundum wohl fühlen. Wassmo ist fest in der Tradition der norwegischen Literatur verankert, verehrt aber auch Virginia Woolf. Ihre Hamsun-Verehrung ging so weit, jenen Hof zu kaufen, in dem der Dichter von 1911-1917 lebte.
Beim Lesen ihrer Werke hatte ich das Gefühl, dass die Autorin keine glückliche Person ist, und noch eins fiel mir auf, sie scheint an einer Fotophobie zu leiden. Es gibt ungewöhnlich wenig Bilder von ihr. Dina fand jedoch das Bild unten, auf dem die Wassmo wie ihre Romanheldin Dina wirkt.

Herbjørg Wassmo

Ich meide schwermütige Bücher, bei der Dina-Trilogie war es jedoch anders. Ich wurde sogleich in den Text hineingezogen, bis zum Morgengrauen las ich atemlos viel zu viele Nächte lang. Ja, Wassmo schreibt immer ausführlich und deswegen dicke Bücher, da sie sich wie Undset in eine Zeit hineindenkt (19. Jh. in diesen Fall), die sie im Detail beschreibt. Lange Romane ziehen mich an und ließen mich zur Wassmo greifen, da sie, wenn sie gut sind, den Zeitpunkt der Tristesse herauszögern, der unweigerlich nach der letzten Seite kommt, da nie sogleich Ebenbürtiges zur Hand ist.

Im Gegensatz z.B. zu Hamsuns „Hunger“ gibt es bei Dina zum Glück auch viele ausgelassen fröhliche Passagen speziell im ersten Band. Dina, die Heldin dieser zweiten Trilogie Wassmos, ist eine außergewöhnlich starke, gebildete und geschäftstüchtige Frau, die sich ihre Freiheiten nimmt und zugleich größte Angst vor dem Verlassenwerden zeigt, was bis zum Mord führt. Dina ist extrem, eine schillernde Verkörperung der Anima wie Rider Haggards „She“, gut und böse zugleich, furchtbar und fruchtbar. Das macht den Reiz ihres Charakters aus.
Dina lebt in einem Geflecht von Lüge und Verschweigen, es sind die berüchtigten „Leichen im Keller“, die wohl jede Familie kennt. Diese gefährlichen Familiengeheimnisse, die Wassmo auf Liebe und Schuld zurückführt, beschreibt sie derart treffend, dass mir sogleich einige der Geheimnisse meiner Familie klarer wurden, ich erkannte Situationen wieder, verstand. Das lag nicht zuletzt daran, dass Wassmo anschaulich wie sinnlich Situationen, die Natur und speziell Menschen beschreibt, wobei auffällt, dass das Riechen in allen drei Bänden eine wesentliche Rolle spielt. Für mich war das Lesen dieser Trilogie besser als Therapie, genau wie Marcel Proust es für „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ geltend machte, nämlich mit Hilfe des Romans tiefer in sich selbst blicken zu können.

Die Stärke der Autorin ist zugleich ihre Schwäche: Brillant finde ich die ausführlichen Schilderungen der pubertären Zwanghaftigkeiten und späteren Verwirrungen als Mann von Benjamin (Dinas Sohn). Jedoch der dritte Band der Trilogie „Dinas Vermächtnis“ hat Längen durch zu ausführliche Schilderungen von „Beziehungskram“, der die Geschichte nicht vorantreibt. Bei der Mitte des dritten Bands angelangt, hatte ich genug „Beziehungskram“ genossen – mein junger Freund Gerrit hätte von Tuss-Literatur gesprochen und die Dina-Romane als Frauenliteratur abgetan. Nach 1500 Seiten hatte ich das Strickmuster erkannt und weiß nicht so recht, wie er es finden soll, dass voraussehbar Dina ähnlich wie ihre Mutter stirbt, die sie versehentlich als Kind umgebracht hatte. Ist das ein Schönheitsfehler, jenes Ringen mit dem Romanschluss, bei dem so mancher Autor unterliegt? Es wirkt konstruiert auf mich, aber halt!, so entwerfe ich die Architektur meiner Romane doch auch. Und sei es auch eine Schwäche, bei Autoren-Promis wie Wassmo pflegen Kritiker Schwächen als Charakteristika zu bezeichen.

Stilistisch sind alle drei Romane nahezu perfekt (störend sind jedoch die vielen, teils sinnentstellenden Druckfehler in der Knaur-Taschenbuch-Ausgabe), die Metaphorik ist teilweise ungewöhnlich, aber immer treffend und beim Wechsel der Erzählperspektive, z.B. wenn im dritten Band Karna, Dinas Enkeltochter, denkt (viel ist im inneren Monolog geschrieben), wird der Leser von der Intensität kindlicher Weltsicht berührt – man merkt, dass H. Wassmo wie Selma Lagerlöf Lehrerin gewesen ist. Im Gegensatz zu der brillanten Wergeland-Trilogie ihres Landsmanns Jan Kjærstad ist die Dina-Trilogie leserfreundlich konservativ geschrieben, kein Hauch von Postmodern, ähnlich zeitgeistfrei wie Undsets Romane und ähnlich christlich geprägt.

Wie ihre Romanheldin Dina lebte Herbjørg Wassmo einige Zeit in Berlin, das immer wieder in ihren Romanen auftaucht.

Besonders den ersten Band der Trilogie „Das Buch Dina“ möchte ich jedem empfehlen – und nicht vergessen, er wurde sehr schön verfilmt. Davon berichtet mein Tagebucheintrag:

„… habe zum zweiten Mal ‚I AM DINA‘ gesehen, wow, große Gefühle und Dramen. Brillant gespielt und wunderbare Naturaufnahmen. Ich finde allerdings, der Film bringt die Story gefälliger. Aber das macht nichts, da er wunderschön gefilmt ist – bes. Personenbilder sind wie gute Portraitfotografie. Manchmal erinnert die Ästhetik der Bilderwelten an die Werbung bis hin zur ästhetischen Soft-Porn-Fotografie. Alles in allem ist das ein Film für die Sinne und speziell durch die Schnitttechnik eine Achterbahnfahrt durch die Gefühle. Ich habe auch zum zweiten Mal den Film mit großem Genuss gesehen

Zum Abschluss: Mitte April kommt in deutscher Übersetzung der erste Band von Wassmos erster Trilogie (die Tora-Trilogie) unter dem Titel „Deutschenkind“ heraus. Darin beschreibt sie, wie mir meine norwegische Freundin Dina (ja die, nicht die Roman-Dina) bestätigte, ein brisantes Tabu-Thema in Norwegen, nämlich wie die Bevölkerung mit Frauen umging, von denen man ein Verhältnis mit deutschen Besatzungssoldaten vermutete und wurde gar in solcher Verbindung ein Kind gezeugt, dann … Ja, das können Sie in „Deutschenkind“ lesen.

Viel Spaß beim Lesen.
Klausbernd

Buchtalk: Knut Hamsun

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Buchtalk: Knut Hamsun

Zu Hamsuns 60. Todestag am 19. Februar

„Einen Dank für die einsame Nacht, für die Berge, für das Rauschen der Finsternis und des Meeres, es rauscht durch mein Herz! Einen Dank für mein Leben, für meinen Atemzug, für die Gnade, heute Nacht leben zu dürfen, dafür danke ich von Herzen! Lausche nach Osten und lausche nach Westen, nein, lausche! Es ist der ewige Gott! Diese Stille, die gegen mein Ohr murmelt, ist das siedende Blut der Allnatur, Gott, der die Erde und mich durchwebt.“
Knut Hamsun, Pan

Knut Hamsun. Freundliche Leihgabe von Kirsten H. Rasmussen

Also, Ihr Lieben, heute Nacht war was los bei uns. Da hat doch unser Master völlig troddelig die Bücher Hamsuns zwischen Henrik Ibsen und Sigrid Undset ins Regal gestellt. An Schlaf war nicht zu denken, große Randale auf Regalbrett 3 Nord. Ich sage Euch, dieser störrische Hamsun ist wirklich ein Störenfried, ein grumpy old man, wie wir hier sagen. Ich glaube, Ibsen war ihm zu modern. Bei Ibsen war Nora vom Geist der Befreiung beseelt, während für Hamsun die Frauen unerreichbare, hehre Wesen waren. Naja, vielleicht war es einfach Neid, denn Ibsen war damals sooo viel bekannter als er. Dennoch sollte Ibsen – ich finde das völlig unberechtigt! – nie den Literaturnobelpreis erhalten, den Hamsun als zweiter Norweger im Jahre 1920 zugesprochen bekam – nach Bjørnstjerne Bjørnson, für dessen Bauernerzählungen er schwärmte. In seinem Werk „Mysterien“ bringt Hamsun wie in der mittelalterlichen Dichtung üblich einen Dichterkatalog, bei dem Ibsen zusammen mit Tolstoi und Maupassant schlecht wegkommen, wobei Bjørnson und de Musset sehr gelobt werden. Ja, Hamsun konnte Ibsen partout nicht leiden, was er laut herausposaunte und seine Beliebtheit nicht gerade steigerte. Hamsun war schon ein eigensinniger Querkopf.
Zur dritten norwegischen Nobelpreisträgerin Sigrid Undset verhielt sich Hamsun wie Feuer zu Wasser. Während Hamsun nicht nur auf die Verleihung des Friedensnobelpreises an von Ossietzky (1935) mit massiver Kritik reagierte und die Einrichtung von Konzentrationslagern rechtfertigte (Ossietzky befand sich im KZ Esterwegen) und 1943 Hitler und Göbbels in Deutschland besuchte, hat Sigrid Undset das besetzte Norwegen als Unterstützerin des norwegischen Widerstands verlassen müssen. Hamsun wurde im besetzten Norwegen als Dichter Nummer eins hoch gelobt, er war neben Karl May einer der Lieblingsschriftsteller von Hitler, der „Segen der Erde“ als Blut-und-Boden-Literatur goutierte. Allerdings sollte sich das nach dem Krieg drastisch ändern. In seinem Eigensinn schrieb Hamsun noch einen Nachruf auf Hitler und dann ging`s bergab mit ihm. Er wurde nach dem Krieg als Landesverräter verhaftet, zu einer ruinösen Geldstrafe verurteilt und eine Zeitlang in die Psychiatrie eingewiesen, worauf er 1949 in „Auf überwachsenen Pfaden“ eingeht und reuelos seine Haltung rechtfertigte. Erst zu Hamsuns 150. Geburtstag 2009 schlossen die Norweger offiziell mit ihm Frieden, indem die Königin die feine Unterscheidung zwischen Hamsun als Autor und als Person machte. Und wir beide Feen müssen zugeben, dass wir in Hamsuns Romanen keine faschistischen Stellen gefunden haben – wirklich nicht! Als Sigrid Undset gleich nach dem Krieg nach Norwegen zurückkehrte, wurde sie hoch gelobt und ausgezeichnet, Hamsuns Werke dagegen wurden von einigen Norwegern vernichtet, wie es Lars Saabye Christensen in seinem Roman „Der Halbbruder“ beschreibt: „Der Autor war während des Krieges ein Lümmel. Deshalb haben wir seine Gesammelte Werke hier im Kaminofen verbrannt.“

„Jetzt hast du dich über Hamsuns politische Einstellung mokiert, aber wo bleibt der Dichter Hamsun?“, kritisiert mich Selma. „Naja, der Hamsun ist einer, der mehr gelobt als gelesen wird“, rechtfertige ich mich, die mit Hamsun ihre Schwierigkeiten hat. Ehrlich gesagt, finde ich Hamsun langweilig. Klar, das weiß ich doch als BuchFee, hat Thomas Mann Hamsun hoch gelobt. Er bezeichnete ihn als den würdigsten Nobelpreisträger und sicher hat dieser norwegische Querkopf moderne Techniken des Romans wie den inneren Monolog und die erlebte Rede vorbereitet, auf ihn konnten Joyce und Proust aufbauen und selbst zeitgenössische norwegische Autoren wie Saabye Christensen und (Masters verehrter) Jan Kjærstad beziehen sich Hamsun, wie auch Ernest Hemingway, Hermann Hesse, H.G. Wells, Henry Miller, Bert Brecht und Robert Musil. Dennoch fand ich Hamsun einschläfernd. Er wird ja wegen seiner Landschaftsbeschreibungen und Naturmystik gelobt, ich fand jedoch außer in „Pan“ und „Die Schwärmer“ nicht viel davon. Nach all der Hamsun-Leserei griff ich abends im gemütlichen Kuschelbettchen zu Georg Engels Roman „Zauberin Circe“. Im Gegensatz zu Hamsun ist sein Zeitgenosse, der Bestsellerautor Engel, heute völlig vergessen, aber wer Naturschwärmereien liebt, der sollte lieber zu Engel als zu Hamsun greifen.

Unser Master sprach ganz verwirrt von „Hamundsen“ als wir gemeinsam die alte Hamsun-Ausgabe auf der Suche nach Naturmystik durchblätterten, als ob Amundsen und Hamsun etwas gemeinsam hätten – oder doch? Wie dem auch sei, naturmystische Schilderungen fanden wir in „Pan“ und „Die Schwärmer“ (dort nur in winzigen Abschnitten), ein Loblied auf die Erde und das bäuerliche Leben in „Segen der Erde“, das Masterchen, Dina und ich als seinen lesenswertesten Roman fanden. Dies war der einzige Roman Hamsuns, bei dem ich wissen wollte, wie er ausgeht. Große Schwierigkeiten hatte ich, „Mysterien“ zu lesen, einen Roman bei dem ich bis heute nicht verstanden habe, warum Hamsun – für mich völlig unmotiviert – ständig zwischen Präteritum und Präsenz wechselt. Oder sollte das an den schlechten Übersetzungen liegen, angesichts derer unsere liebe zweisprachige Dina sich die Haare raufte.
Sicherlich waren Hamsuns psychologische Überlegungen damals acht Jahre vor Freuds Erscheinen der „Traumdeutung“ neu, heute wirken sie jedoch wie abgestanden Altbekanntes. Das Skurrile und Fantastische der Geschichte hätte selbst ich besser verdichten können. Diese überzogene Liebesgeschichte war ja fast so exaltiert wie Goethes Bestseller „Die Leiden des jungen Werther“, der heute nicht ohne Lachkrämpfe zu lesen ist. Dennoch schuf Hamsun mit Nagel, dem wundersamen Exzentriker und Hysteriker in „Mysterien“ einen postmodernen Helden, wie auch in jenem erfolglosen, ja lächerlichen Schreiberling in „Hunger“. Der Versager als Held, das hört sich nach einem Nihilismus á la Nietzsche an, meint Masterchen – oder sollte sich dahinter Hamsuns panische Angst vor dem Alter verbergen?
In „Viktoria“ werden Liebe und Sexualität als Naturmächte, denen der Mensch ausgeliefert ist, überhöht. Und immer schreibt Hamsun gegen die böse Großstadt und den Fortschritt an, auch ein Thema in „Hunger“, der Roman, der seinen Weltruhm begründete, unter anderem deswegen, da er auf den damals üblichen vermittelnden Erzähler verzichtete und eindringlich aus der Ich-Perspektive erzählt. Man kann dieses Buch nicht weglegen oder schmeißt es nach den ersten drei Seiten ins Feuer, schrieb treffend ein Rezensent.
Mich hat es ja fast von meinem Regal geworfen, als ich „August Weltumsegler“ las, die Geschichte eines Spekulanten, die sich fast wie eine Vorausschau der heutigen Finanzkrise liest. Dort unterstrich ich dick: „Der Mensch will höher fliegen, als ihm die Flügel dazu gewachsen sind. Da fällt er herunter.“

„Wenn wir dann eine Zeitlang gewandert sind, dann wandern wir noch eine Weile; wir wandern einen Tag, darauf eine Nacht, und endlich in der Dämmerung des nächsten Tages ist die Stunde gekommen, und wir werden getötet, in Ernst und Güte getötet. Das ist der Roman des Lebens mit dem Tod als letztem Kapitel. Das ist alles so mystisch.“ (Knut Hamsun, Das letzte Kapitel) Hamsun starb vor 60 Jahren auf seinem Gut Nørholm bei Grimstad.

Meine Schwester Selma pocht darauf zu erwähnen, dass es noch heute glühende Hamsun-Fans gibt. Wer sich für „Hamsunika“ interessiert, der schaue sich mal diese österreichische Seite an.

Grüße vom Master und meiner Schwester Selma
Eure Siri BuchFee

Eigenbrötler

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Eigenbrötler

Dass es bei uns täglich leckeres selbstgemachtes Brot gibt, weiß jeder spätestens seit  „Selmas gewöhnlicher Alltag“. Ja, ich, Siri BuchFee, fand sogar heraus, dass viele Schreiberlinge vom Brot und Brotbacken fasziniert sind und es seit ewigen Zeiten waren. Die Wendung „unser tägliches Brot“ kennt sicher jeder von Euch aus der Bibel. In der FayrieSchule lasen wir als Beispiel für den Naturalismus Wolfgang Borcherts Geschichte „Das Brot“. Die LehrerFee meinte, dass in diesem Beispiel für Trümmerliteratur die Metapher Brot zu aufdringlich häufig vorkäme. „Das liegt an Bocherts Stakkatostil mit der Vorliebe an Wiederholungen“, hatte uns der Master erklärt. Die Metapher Brot kommt in der Literatur stets auf, wenn Armut beschrieben wird. Wie bei Luther wird der Begriff „Brot“ zu einem Ausdruck für „Alles, was not tut für Leib und Leben“ (Luther). Außerdem erzählte uns unsere liebkluge LehrerFee, dass in Heinrich Bölls „Das Brot der frühen Jahre“ (Wirtschaftswunderliteratur) das Brot neben für das Überleben auch für geistige Nahrung steht. Das Brot, das man zusammen isst, symbolisiert ferner Freundschaft oder zumindest Zugehörigkeit. Schon die Ägypter buken Brot. Sie wurden wegen ihres Brotkonsums „Brotesser“ genannt. Ja, da staunt Ihr, bereits vor 10.000 Jahren wurden die ersten Fladenbrote gebacken und noch erstaunlicher nach Einführung der Backöfen und Hefe war eine römische Großbäckerei vor 2000 Jahren in der Lage, tgl. 36.000 kg Brot zu backen. Kurzum, Brot ist für unsere Kultur so wichtig wie Bücher, „beides fängt ja auch mit „B“ an“, meine ich, Selma BilderFeee. Und so ist es nicht verwunderlich, dass wir Brot und besonders das Brotbacken bei vielen Autoren finden. Puh, da sind so viele, Siri als Chronistin zählt nur die wichtigsten auf: der jüdisch-ungarische Nobelpreisträger Imre Kertész Kaddish beschreibt in „Kaddish für ein nichtgeborenes Kind“ das Brotbacken, wie auch der Grieche (der in Schwedisch veröffentlicht, da er in Schweden lebt) Theodor Kallifatides, der Brotbacken im Zweiten Weltkrieg auf einem griechischen Dorf schildert, wo es eine Gemeinschaftsaktion darstellt. Naja, und wer`s genau wissen will, übers Brotbacken ließen sich noch die beiden schwedischen Autorinnen Vibeke Olsson und Eva Ström aus (die müsst Ihr nicht kennen)  und die norwegische Autorin Hanne Ørstavik, eine sprachkritische Autorin, die im hohen Norden lebte wie Hamsun und Jan Kjærstad. Ja und Knut Hamsun schrieb mit „Segen der Erde“ (wofür er den Nobelpreis bekam und von Thomas Mann hoch gelobt wurde) den Brotroman schlechthin, ein Lob des bäuerlichen Lebens, in dem das Brot eine zentrale Rolle spielt.  Dieser Roman war das Vorbild für Karl Heinrich Waggerls „Brot“, ein Debutroman dieses Österreichers, der nach unserem Master zu sehr eine Blut-und-Boden-Stimmung ausdrückt.

Aber nun zum Brotbacken selbst.
Viele haben unsere Brote zum Frühstück serviert bekommen und noch mehr haben nach dem Rezept gefragt. Sie möchten, genau wie unser Master, ihr Brot selbst herstellen.  Was gibt es Leckereres als ein selbstgebackenes, frisches, wohlriechendes Brot? So denkt Jan Kjærstad, der in seinem Roman „Der Verführer“ ein ganzes Kapitel dem Brotbacken widmet. Margarete wird auf der Jagd nach dem perfekten Brot geschildert, denn für sie ist Brot die Basis des Lebens. Margarete backt allerdings anders als unser Master: Sie walkt den Teig mit einem Holzlöffel durch, was Masterchen zu anstrengend ist, er knetet mit den Händen (die dann hinterher blitzsauber sind). Wie der Master fühlt Margarete, wann der Teig die rechte Konsistenz besitzt. Vertraut lieber Margarete und mir und nicht den Brotback-Ratgebern, die schreiben nämlich einer vom anderen ab, der Teig habe die richtige Konsistenz, wenn er von den Händen falle. Margarete schreit aus Kjærstads Buch auf: „Viel zu trocken!“ Genau, das meint unser Master auch. Magarete, so schreibt Kjærstad weiter, fühlt mit iIhrem ganzen Körper, wann der Teige die richtige Konsistenz hat, für sie hat das Brotbacken eine erotische Qualität (Eilhinweis: Ich, Siri, fand gerade im Netz, dass die Berliner Gazette vom 3.12.2010 behauptete, Brotbacken macht sexy). Da Margarete mit lebendiger Hefe backt, lässt sie den Brotteig gehen, was sich Masterchen abgewöhnt hat, da er Sauerteig und Trockenhefe benutzt, eine Mischung, die sofort in den Ofen geschoben werden kann. Nach dem Gehen „ging Margarete in die Küche und entfernte das Handtuch von der Schüssel, stolz, als enthülle sie ein Monument, denn der Teig war gegangen …“ Nachdem sie den Teig noch zweimal gehen lässt und wieder herunterknetet, bestreicht sie die Brote in der Form mit Ei – für eine feine Kruste. „Öl und Wasser tun`s auch“, merkte Masterchen mit spitzem Bleistift am Buchrand an.

Bevor wir nun das Geheimnis von Masters easy-Brot enthüllen unbedingt noch ein paar Worte zu den Brotbackformen: Bei uns steht ein Jahr FayrieTaler-Entzug darauf, wenn wir nur ein Tröpfen Wasser in die Formen fallen lassen, von Spülmittel wollen wir gar nicht erst reden. Des Eigenbrötlers Stolz sind nämlich seine Backformen, die über Jahre niemals ausgespült wurden. Wisst Ihr was? Unser Master besitzt zwei Brotbackformen, die seit fast 40 Jahren kein Wasser mehr gesehen haben. Darin bäckt nichts an.

Also, auf vielfachen Wunsch, hier kommt das Rezept mit der Anleitung zum  „Eigenbrötler“ zu werden:

Zuerst müsst Ihr Mehl in eine Backschüssel schütten. Die Schüssel sollte ziemlich groß sein, damit Ihr beim Kneten nicht wie ein Luchs aufpassen müsst, dass nichts herausfällt. Die Brotbackschüssel sollte auch schwer sein, da sie sich sonst beim Kneten zu sehr bewegt – also nix Plastikschüssel …
Masterchen mischt meistens 50% Roggenmehl mit 40% Weizenmehl und 10% Haferflocken – speziell auf unseren Wunsch, da Haferflocken unser Brot nussig schmecken lässt. Ihr dürft nicht unter etwa 25% Feinmehl (am besten Weizen) gehen, da sonst das Brot nicht schnittfest wird.

Dann kommt die Hefe dazu und evtl. wie hier auf dem Bild der Sauerteig (der stark nach Bier riecht, wenn er reif ist) – Master nimmt pro Kilo 2 Päckchen Trockenhefe, wenn er ohne Sauerteig backt. Backt er mit Sauerteig, braucht er nur ein Päckchen Hefe pro Kilo. Den Sauerteig gibt er mit lässigem Schwung nach Gefühl hinzu, etwa eine große Tasse pro Kg Mehl.

Dann wird so viel Wasser, am besten lauwarmes, in diese Mischung geschüttet, bis sie die Konsistenz von Knete hat, eben von solcher Knete, mit der wir im Kindergarten unter Aufsicht strenger Tanten Tiere formen mussten.

Nun heißt es kneten, was wir alle sehr angenehm finden. Einige Brotbäcker meinen, dass man durch das Kneten seine Energie auf den Brotteig übertrage. „Ich kann nicht verstehen, warum Leute zu Brotbackmaschinen greifen“, meint unser Master, „denn Brot zu backen ist tief entspannend und dauert auch nicht lang.“ Auf unsere Frage hin wie lang denn, meint er „mit Saubermachen knapp über eine halbe Stunde“.

Hat der Teig die richtige Konsistenz, wird er in die Formen gefüllt – hier seht Ihr Masters Stolz: die 40 Jahre alten Brotbackformen, die mit ihm von Asien nach Amerika, von Bochum nach Norfolk zogen.

Nun wird der Teig mit nassen Fingern heruntergedrückt und geglättet. Es ist nicht zwingend notwendig, die Finger so zu biegen. Dina kriegt es auch nicht hin, wir aber schon.

Am Schluss wird das Brot weiblich gemacht, wie wir sagen. Der Schlitz ist deswegen wichtig, dass von innen der Teig beim Backen seine Feuchtigkeit herauslassen kann. Da sich die Kruste zuerst bildet, muss es ein Ventil für die entweichende innere Feuchtigkeit geben. Aber natürlich sind symbolischgeschichtlich Brote sowieso weiblich, da sie nähren. Was der Master und Margarete nicht machen, die Brote durch ein Kreuzzeichen zu segnen, wie es im Mittelalter Brauch war. Wie bei bei den hinduistischen Darstellungen von Shivas Lingam wird in unserem Fall die Yoni geölt. Den in den Teig mit einem Messer eingeritzten Schlitz füllen wir mit Öl und gehen dann nochmals mit dem Messer durch. So bleibt er länger geöffnet.
Ich Selma BilderFee muss Euch noch auf etwas Wichtiges für die Ästhetik des Brotes aufmerksam machen: Seht Ihr, dass rundum die Ränder des Teigs an der Formwand heruntergedrückt wurden? Das hat Selma gemacht mit ihrem nassen FeenZeigefinger, da das dem Brot eine schöne Form gibt.

Und nun geht`s ab in den kalten – merkt Euch: kalt! – Ofen, in dem die Brote 105 min. bleiben bei der Einstellung 180 Grad C. Masterchen schwärmt für Umluftöfen, da diese überall die gleiche Temperatur aufweisen (sollten). Wenn man mit Gas oder Holzfeuer backt, muss man die Brote wenden, da im Ofen unterschiedliche Temperaturen herrschen.

So sehen die Brote aus, gleich wenn sie aus dem Ofen kommen. „Oh SiriFee, du hast wohl wieder gelesen und nicht aufgepasst!“, diese Brote waren ungefähr 15 min. zu lange im Ofen, was man an den schwarzen Stellen an der Kruste sieht. Es kann aber auch sein, dass Margarete, als wir nicht aufpassten, zu viel Eiweiß über diese Stellen strich.

Eine andere Variante des Brotbackens (mit Rezept) führt der Master in einer Diashow auf seiner Homepage vor.

Unsere Nachbarin erzählte, dass früher Brote bis zu sechs Wochen haltbar waren. Erstaunlicherweise haben sie alt am besten geschmeckt. Nur, so lange hält sich heute ein frisch gebackenes Brot nicht mehr. Jedenfalls  nicht bei uns: Es ist einfach zu köstlich, hmm, um es lange liegen zu lassen.

Zum Schluss die Geschichte wie unser Master zum Brotbacken kam. Er erzählt: „Als ich den USA lebte, wurde ich von ständiger Verarmungsangst gequält, obwohl ich „well off“ war. Meine von mir heimlich geliebte Analytikerin empfahl, mich ein halbes Jahr ohne Geld in den USA durchzuschlagen.
“ Masterchen neigt schon dem Verrückten zu, findet Ihr nicht auch? Er tat`s nämlich tatsächlich!“
„Um der Analytikerin zu imponieren!“ erklärt Siri.
„Ich versuchte es mit Betteln, very hard work kann ich Euch sagen, um gute Plätze wird Krieg geführt, Stehlen, oh dear, noch mehr hard work, bevor ich auf die Idee kam, von Landkommune zu Landkommune zu trampen. Aber was konnte ich als benötigtes know how anbieten? Diese Frage löste sich sich gleich, als ich „Pie in the Sky“, eine idyllische Landkommune in Vermont, besuchte. Klar, von einem Deutschen erwartet man, dass er gutes Brot backen kann. Da in der Bibliothek der Gruppe das empfehlenswerte „Tassajara Brotbackbuch“ stand, lernte ich Brotbacken und trampte noch ein halbes Jahr von Landkommune zu Landkommune, wo ich herzlich aufgenommen wurde, da mir der Ruf des Groovy German Bakers vorauseilte. Seit der Zeit backe ich überall und erst recht zu Haus mein Brot.“

Das war`s zum Brot.
Liebe Grüße und möget Ihr immer Euer täglich Brot haben

Siri BuchFee und Selma BilderFee

Buchtalk 1

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Buchtalk 1

Endlich kann ich mich als FeenVater und Master auch mal durchsetzen, etwas selbst zu schreiben. Ich hab erreicht (durch 5 FayrieTaler pro Woche mehr Taschengeld – knirsch!), dass ich bei Siri und Selma zumindest unregelmäßig eine Kolumne „Buchtalk“ bekomme.

Heute möchte ich Ihnen Romane vorstellen, die mich in letzter Zeit faszinierten: Jan Kjærstads Trilogie „Der Verführer, „Der Eroberer“, „Der Entdecker“, von Ian McEwan „Solar“ und von Daniel Glattauer „Gut gegen Nordwind“ und dann wird am Schluss als Kontrastprogramm Sigrid Undsets „Kristin Lavranstochter“ erwähnt.

Jan Kjaerstad

Schon von den ersten Seiten an haben mich Kjærstads Romane fasziniert. Die Metaphern und die zarte Ironie, die treffenden Beobachtungen schlugen mich in den Bann. Dann erst bemerkte ich, als der Erzähler und der Erzähler des Erzählers auftreten, wie geschickt in den drei Romanen die Betrachtung der Welt eines Fernsehstars konstruiert ist. Ich werde als Leser ständig darauf hingewiesen, dass es sich keineswegs um eine gar objektive Beschreibung von Realität handelt, sondern um ein Artefakt, um eine künstliche Welt. Zum einem gleicht das dem epischen Theater Brechts, der in seinem Theater die Schilder „Glotzt nicht romantisch“ aufstellte, um den Zuschauer zum kritischen Betrachter zu erziehen.

Die Jonas Wergeland Trilogie

Zum anderen sind das drei postmoderne Romane, die sich selbst medienkritisch reflektieren [Siri BuchFee: Masterchen meint, der Roman reflektiert im Roman die Art, wie er gemacht ist, nämlich völlig subjektiv]. Kjærstads als talentierter Erzähler lässt jedoch die Reflektionen nie seine Geschichten unterbrechen. Inhalt und Stil sind in beneidenswerter Weise miteinander verflochten, was einen Hochgenuss beim Lesen erzeugt (auch beim naiven Leser) [Siri: von ihm kann Masterchen noch einiges lernen]. Es erstaunt mich, wie Kjærstad durch ein fein verwobenes Netz von Geschichten viel Wissen spielerisch vermittelt. Sehr differenziert sind seine Reflexionen des Fernsehens, denn die Hauptperson der Trilogie Jonas Wergeland ist ein medienkritischer Fernsehstar.

Ian McEwan

Nach drei Büchern Kjærstad griff ich Abwechslung suchend nach McEwans „Solar“. So wie Kjærstad einer der zur Zeit führenden Autoren Norwegens ist, so ist McEwan gerade einer der führenden Autoren Englands. Bei beiden wird ein Heldenbild dekonstruiert [Siri: vergesst diese Anspielung auf den Dekonstruktivismus, er meint, beide entlarven Helden]. McEwans Stil einer weitgehend linear erzählten Geschichte wirkt konservativ Kjærstads Stil gegenüber, aber auch seine Geschichte der Verstrickungen eines Nobelpreisträgers ist (zumindest nach dem ersten Viertel des Romans) spannend und witzig erzählt.

Obwohl diese vier Romane nicht mit sexuellen Abenteuern sparen, die Kjærstad als Mittel der Erkenntnis feinsinnig beschreibt, ist „Solar“ ein psychologischer Roman, die drei Romane Kjærstads sind das jedoch nicht (noch eine Gemeinsamkeit mit Brecht, der das Psychologisieren in der Literatur ablehnte).
Wie schon „Abbitte“ zerfällt auch „Solar“ in Teile, diesmal drei, die jedoch besser verknüpft sind als die beiden Teilen von „Abbitte“ [Selma KnipsiFees Kommentar: Im Film fällt das weniger auf als im Buch]. „Solar“ ist trotz allem so spannend zu lesen, dass ich unbedingt wissen wollte, wie die Geschichte ausgeht.

Mit Glattauers hoch gelobten E-Mail-Roman hatte ich zu Beginn größte Schwierigkeiten [SiriFee: weil Masterchen eher kulturkonservativ ist, E-Mails erscheinen ihm nicht kunstwürdig, oh je … ].  Der Stil langweilte mich und dieses ewige Gejammere des Mannes über seine Verflossene, hat mich auch nicht gerade amüsiert. Erst nach etwas Rauchen und einer halben Flasche Wein wurde nach 100 Seiten die Geschichte spannend, plötzlich sehr spannend sogar. Der Sprachwitz  und das Raffinierte am Einfachen der Story begannen mich zu packen. Erst jetzt bemerkte ich, wie Glattauer ähnlich wie Kjærstad sein Medium, eben die E-Mail-Kommunikation (als Nachfolger des Briefromans), reflektiert. Am Schluss wollte ich unbedingt wissen, treffen sie sich nun oder nicht – aber ich verrate nichts.

Sigrid Undset

Ich bin übrigens durch Jan Kjærstad Sigrid Undset [Siri: oh dear, name dropping, wenn Ihr es nicht wisst, sie war die Nobelpreisträgerin für Literatur 1928 für „Kristin Lavranstochter“] wieder begegnet, die ich mit Anfang zwanzig las. Undset: die scheue Autorin, die in ihrer mittelalterlichen Welt lebte und so viel anders aussah, als ich sie mir vorgestellt hatte (als nordische Schönheit langhaarig blond, wie Figuren aus ihren Büchern). Mich wundert, dass all die Mittelalterfans sie nicht wiederentdeckt haben, aber daran hinderte sie wohl, dass Sigrid Undset zum Katholizismus konvertierte (ein Skandal in Norwegen) und ihr Glaube, dass der Mensch sich letztendlich nicht ändert.
In „Der Eroberer“ beschreibt Kjærstadt, wie Sigrid Undset den Tisch küsst, an dem Linné die große Ordnung (in der Pflanzenwelt) schaffte. Undsets Ideal war diese große Ordnung, die sie im Mittelalter sah.
Also, für alle Mittelalterfans: Sigrid Undset lesen, lohnt sich (das Gegenteil von postmodern). Ich empfehle „Kristin Lavranstochter“ – ein Buch, bei dem ich als Zwanzigjähriger ständig einschlief, da hatte ich andere Interessen [Selmas Erläuterung: Masterchen kommt aus ehrgeiziger Familie, da musste man solche NobelpreisSchinken gelesen haben, naja, angelesen haben zumindest oder so. Siri und ich, wir lieben die Undset, da sie so rührend beschreibt, wie die junge Kristin unsere Verwandten, die Elfen trifft].

Viel Lesevergnügen
wünscht Masterchen

P.S.: Dank den lektorierenden BuchFeen Siri und Selma