
Klausbernd Vollmar, Morston Quay, North Norfolk 30.07.2018
Aus Dublin zurück in England (seit gestern Nacht) begrüßten mich nicht nur die Seehunde, sondern ich bekam auch folgendes Zitat geschickt. Das Richtige zur Ankunft:
Die weitgehend verstandesarme Begeisterung für Barack Obama zeigt, dass uns diese zutiefst angelsächsische Welt immer ferner rückt. Dabei fehlt sie uns mehr denn je. Dass Großbritannien sich aus dem Europa der EU mehr und mehr entfernt, ist nicht nur ein ökonomisches und politisches Drama. Wer ein Europa möchte, das wirtschaftlich konkurrenzfähig ist, kann auf Großbritannien (und andere Nordlichter) nicht verzichten. Wer den liberalen Geist schätzt, der keine Gesinnungsfragen, sondern das rule of law an die erste Stelle setzt, ebensowenig. Und erst recht, wer Freiheit für wichtiger hält als Sicherheit, Selbstbestimmung für elementarer als die staatlich organisierte Fürsorge. Und kulturell? Gewiss, Großbritannien ist ein eigenartiges Land. Dort wohnen Menschen, die voller Inbrunst nationalstolze Lieder grölen, in denen von Macht und noch mehr Macht die Rede ist: Rule Britannia! Zu Tausenden singen sie, bester Stimmung, von der Freiheit und dass sie niemals, nie und niemals Sklaven sein wollen – auch nicht die des benevolentesten aller Herrscher. Auch nicht des fürsorgenden Staates. Auch nicht der EU und ihrer Bürokraten. Auf den britischen Inseln gehört der Eigensinn zur gefeierten Tugend.
Hier, wo das Bier schlapp in die Gläser fällt, der Minirock erfunden wurde und der Mersey Beat zu Hause war, liegen die Traum- und Sehnsuchtsinseln mehr als einer Generation Deutscher. Womit haben wir, die wir mit den Beatles oder den Stones oder dem Britpop der 70er und 80er Jahre aufgewachsen sind, verdient, dass diese Inseln Tag für Tag ein wenig ferner rücken? Es waren die Mode und die Musik der Freiheit, die von Großbritannien aus über den Kanal nach Deutschland schwappten, damals, in den 60er Jahren, und das war wichtiger als alles, was die Ideologen der Studentenbewegung später verkündeten.
Was hat demgegenüber die deutsch-französische Freundschaft zu bieten? Rotwein, Käse und Baguette? Die Baskenmütze und das Chanson? Gewiss. Doch die kulturelle Distanz zu Frankreich ist im Laufe der Jahre nicht geringer geworden, im Gegenteil. Die westdeutschen Nachbarn Frankreichs sprechen zumeist Englisch, nicht Französisch. Die Franzosen hingegen sind dafür bekannt, dass sie nicht eine einzige Fremdsprache beherrschen – manche von ihnen leben noch immer, voller Charme, zugegeben, in jener längst verblichenen Zeit, als das Französisch die Sprache der besseren Stände und der Diplomatie war. Selbst in kulinarischen Angelegenheiten ist Frankreich nicht mehr Meister. Die Deutschen machen schon seit langem wieder großartige Weine und die Briten lernen kochen.
Und so sehr das Unausprechliche noch immer zwischen uns steht – „don’t mention the war!“ – let’s drink auf die deutsch-britische Freundschaft. Die Insulaner haben etwas, das wir gut gebrauchen können, und zwar jetzt, in einem Moment, in dem der Euro die Europäer auseinanderdividiert. Sie haben ein Gefühl für Eigenart. Sie wissen um den Wert der Freiheit. Britons never ever will be slaves.
Dieses Zitat stammt von Dr. Cora Stephan, deren Blog: http://cora-stephan.blogspot.de/ ich sehr empfehlen kann.
Noch einen Zusatz von mir zu „don`t mention the war“: Als ich „Magisch reisen: England“ für Goldmann schrieb, musste ich – besonders wegen der Verfilmung – in vielen Pubs mit den old boys und girls reden, die mich sogleich als Deutschen erkannten. Die Reaktion: Ach weißt du, wir wollten nicht in den Krieg und ihr wohl auch nicht. So what? Zu Beginn ward ihr besser, dann wir – we won and that`s it. Als Deutscher erstaunt mich, wie viele Engländer den Krieg mehr wie ein sportliches Ereignis betrachten – ja, ja, ihr Humor macht vor nichts Halt.
Keine Angst, die angekündigten Beiträge über Dublins Bibliotheken kommen noch. Die beiden Buchfeen Siri und Selma tippen eifrig in ihren McFee mit zittrigen Flügelchen. Sie haben sich bitterlich beschwert, dass Masterchen in letzter Zeit ihren Blog beherrschte. Nun sind sie wieder dran.
Mit lieben Grüßen back home vom kleinen Dorf am großen Meer
Klausbernd 🙂
Herzlichen Dank an Frau Dr. Stephan für die Genehmigung Teile ihres Textes veröffentlichen zu dürfen.
Ich habe leider kein Tattoo am Oberschenkel, auch nicht solch feine Brille, aber einen Blog. Der Narzissmus-Koeffizient ist der gleiche, aber, oh Schande, nicht jeder beachtet mich, wie diese Schönheit auf der Bank vor der Bank. Sie hat`s raus. Ich frage mich in schlaflosen Nächten, wie bekomme ich die meiste Beachtung auf meinem Blog.
Da studiert so einer wie ich, wie machen es die anderen.
Taktik 1
Eine in der Menschenkunde altbekannte Taktik ist, vorgeblich anonym zu bleiben. Man spricht kokettierend den inneren Sherlock Holmes im Betrachter an. Krimigleich inszeniert, setzt man die Besucher darauf an, das Geheimnis um die Identität zu lüften. Diese Blogs brauchen das meistens auch, da sie oft von derartig lapidarer Biederkeit geprägt sind, dass dort nichts spannend ist außer das Geheimnis – nur dass es keiner lüften möchte. Welche Kränkung! Aber man hat seinen Freud studiert. So rationalisiert man fröhlich vor sich hin und stilisiert die bösen anderen, den Chef, die Kollegen, der Partner und wer alles sonst noch herhalten muss. Aber die haben Besseres zu tun – oh dear!
Taktik 2
Nächtelang sitzt der Blogger gehetzt vor seinem Bildschirm, die Augen geschwollen, der Rücken schmerzt, und rast von Blog zu Blog, um möglichst viele like-its zu setzen. Nach dem Prinzip „Ich liebe dich, wenn du mich liebst“, klappt das auch. Aber, ach und weh, nur die Fittesten halten das länger als ein halbes Jahr durch, bevor sie dann zusammenklappen.
Kommentar von Selma: „Masterchen tönt hier herum, aber er ist doch auch like-it-geil. Welch Glitzern seines Auges, wenn ein Pling des Notebooks ein Like-it verkündet, dann ist hier Feiertag! Und ich verrate es euch ganz unter uns, Masterchen und Dina könnten ja mitlesen, huch und ich hab den Passwortschutz vergessen, also unter uns: Dina und Masterchen vergleichen ihre Like-it-Mosaike, die besonders bei diesem WordPress auch wirklich schick ab der dritten Reihe Like-its aussehen. Ich war bei einem, der hatte 164, das ist ein sich ständig wandelndes Kunstwerk für sich, wirklich!“
Taktik 3
Man schreibt sich an möglichst vielen Kommentaren die Finger wund. Bald muss man bereits zum dritten Mal seine abgenutzte Tastatur auswechseln. Und die größte Schande, es fällt einem plötzlich nichts mehr ein, alle Textbausteine sind verbraucht. Panik! Was nun? Sein Haus, den Garten, Frau oder Mann, den Beruf hat man schon lange vernachlässigt, man verarmt, verelendet und wird depressiv.
Kommentar von Siri: „Wenn Masterchen uns Buchfeen nicht hätte, hätten die Brombeeren längst den Garten eingenommen, sein Boot wäre abgesoffen und Dina weggelaufen. Aber ich Liebkluge flüstere ihm stets etwas ein und so findet er wieder Zeit zum Essen und sich zu waschen, wenn auch das iPad auf dem Klo neben ihm liegt.“
Taktik 4
Wer bloggt ist kommunikativ, sonst hat er eine Website. Also hat er viele Freunde – noch. Die braucht er auch, damit sie alle möglichst fünf Mal täglich seinen Blog besuchen. Trifft er Bekannte in der Straße, Freunde auf Partys erkennt ihn sie daran, dass seine Begrüßung lautet: „Warste schon auf meinem Blog?“ – der Ton leicht vorwurfsvoll. Der glückliche Blogger hat einen Freund oder eine Freundin, die ihm vorsichtig fragen, ob er nicht bemerke, dass seine Freunde bei erster Sichtung seiner Person, flugs die Straßenseite wechseln oder in ein Geschäft verschwinden. Man soll ihn schon als „soziale Geißel“ bezeichnet haben. Und, oh Graus, da schlägt das Schicksal unbarmherzig zu, der Besucht nimmt ab, der Blogger vereinsamt.
Taktik 5
Dann gibt`s die Oberelitären, meist intellektuelle Brillenträger, die weder like-its noch Kommentare zulassen. Siris Kommentar: „auf diesen Blogs ist tote Hose. Ist doch klar: da keiner sie liked und auf diese Bleiwüsten nicht antworten möchte, zeigt man das nicht.“ Diese oft sich literarisch gebärdenden Blogs besuche ich allerdings gerne, da ich in England wohne und für meine Vorträge doch wissen muss, welch intellektuellen Phrasen gerade in sind. Ich scanne sie natürlich nur daraufhin durch. Gegen diese Bloggereien war mein Deutschunterricht in der Schule voll geil.
Die Moral von der Geschicht, blog ohne Taktik nicht – oder wäre es nicht einfacher, sich doch ein Tattoo stechen zu lassen und sich die Haare schick zu stylen?
Grüße aus Norfolk
Klausbernd
der sich allerliebst bei Dina für die Fotos bedankt und bei unserer örtlichen Schönheit
„Are you Siri-ous!?“ rief meine Schwester verblüfft.
„Nee, Siri, das glaube ich ja nicht!“
Selma schob energisch ihre kleine Feennähmaschine zur Seite und kam schnell zur Tür geflattert. Dicht beieinander versuchten wir gleichzeitig ein Blick durch das viel zu kleine Schlüsselloch zu erhaschen.
Ein Vogel auf der Couch? „Hat Masterchen neuerdings einen Vogel, oder was geht hier ab?“ piepste Selma ungläubig.
Tatsächlich. Auf der Couch lag ein Vogel. Schön, groß und irgendwie traurig.
Was hat der denn? Warum hat wohl der Vogel Masterchen aufgesucht?
Als wir die klassiche Eröffnungsfrage „Was fehlt Ihnen denn?“ hörten, lehnten wir uns mucksmäuschen still zurück und lauschten. Und das hörten wir lüstern lauschend:
„Ich meine, warum sind Sie denn hier?“, hörten wir Masterchen mit seiner beruhigenden Therapeutenstimme fragen, „Flügellahm oder haben Sie einen Pieps, wenn ich mir dieses Wortspiel erlauben darf?“ Was wir jetzt hörten, verschlug uns die Sprache. Unser Vogel, ein Graureiher, bekam gar nichts mehr auf die Reihe und das kam so: Er hatte die anderen Vögel hinter vorgehaltenem Flügel piepsen gehört, dass es dort am Großmeer Reviere mit eins-A-Lage für Vögel gab. Das Wasser wurde stets von hilfreichen Menschen so reguliert, dass genug vorhanden war und erst das Futter … Georg der Reiher (der Name wurde von uns geändert) kam ins Schwärmen: Es geht die alte Vogelsage, die weit hinter Attars „Vogelgespräche“, eine der wesentlichen Weisheitsüberlieferungen der östlichen Vögel, dass dort Futter in Hülle von so einem Menschen, der wohl Warden hieß, bereitgestellt wurde, so dass einige Vögel bereits gesehen wurden, die zu schwer zum Weiterflug wurden. Zu der Zeit wusste der Reiher jedoch nicht, dass dies der Treffpunkt der Exhibitionistenkolonie war, wo Vögel aus Bequemlichkeit das Jagen verlernten. „Auch bei den Vögeln hat alles seinen Preis“, murmelte Masterchen fast unverständlich – auch wegen der geschlossenen Tür. Georg flog also in dieses Vogel-Schlaraffenland und zeigte sich nun fortwährend komischen Menschen, die so zwei Rohre mit Gläsern vor den Augen hielten, um ihn besser zu betrachten. Georg flog hin und her und wie in den „Vogelgesprächen“ wurde seine Sehnsucht nach dem Wasser erfüllt und plötzlich zitierte er völlig korrekt, wie Siri sogleich flüsternd anmerkte, „einem Geschöpf wie mir genügt die leidenschaftliche Liebe zum Meer“ und etwas krächziger setzte er hinzu: „aber das Meer ist ein Element, das keine Treue kennt. Vertraue ihm nicht, sonst wird es dich letzten Endes überschwemmen.“ Damit hatte sich Georg verraten. Uns beiden war sofort klar, er ist schizophren geworden. Oder was meint ihr von einem Reiher, der augenscheinlich lesen kann? Woher sollte er sonst diese Überlieferung aus dem 13. Jahrhundert kennen? Masterchen dachte wohl wie wir, denn er fragte, wie er denn zu den Menschen stehe? Und da kam es heraus: Georg stellte sich oft vor, ein Mensch zu sein, ja, er stellte es sich ganz, ganz stark vor und in diesen Momenten wurde er zu einem. Und dazu noch zu einem Leser. Er hatte nämlich einem Vogelgucker „Birdy“ von William Wharton mit seinem langen Schnabel stiebitzt. „Und wenn ein Mensch zum Vogel werden kann, warum kann dann nicht auch ein Vogel zum Mensch werden?“, war seine Schlussfolgerung, als er den Roman ausgelesen hatte. So wurde er bisweilen zum Mensch wie auch einst der Kalif Storch zum Vogel wurde. Während dieser Schübe konnte er also lesen, was ihn jedoch nur umso mehr verwirrte, wie ihr gleich seht. Herr Reiher begann fürderhin die Menschen zu beobachten, wie sie ihn beobachteten. Ihm fiel auf, dass diese Menschen den Vögeln gar nicht so fern stehen: Birdwatcher treten im Schwarm auf, wechseln schnell die Orte und sitzen auch bisweilen in Bäumen. Aber fliegen können sie doch nicht“, warf Masterchen ziemlich untherapeutisch, wie wir fanden, ein. „Na doch!“, antwortete Georg, „sie haben für alles Maschinen.“ Dennoch gab Reiherchen nach einiger therapeutischer Intervention zu, dass Menschen nicht fliegen können und wer es versucht, endet wie dieser Schneider von Ulm, den schon Brecht ein Gedicht widmete. Dann kam ein Rückschlag: „Und überhaupt“, meinte Herr Reiher triumphierend, „Harry Potters Eule Hedwig und Hans Huckebein der Unglücksrabe besitzen doch auch menschliche Züge wie schon Hugin und Munin bei den Germanen.“ Aber etwas später kam der erste Durchbruch. Reiherchen erkannte, dass unbeflügelte Wesen wie die Menschen, keinen Überblick haben. Deswegen stiften sie auch diese Verwirrung in der Natur. Dem stimmten wir geflügelten Buchfeen stumm nickend zu. Sagte nicht Masterchen einst „es irrt der Mensch, solange er denkt“? Und dieser Reiher war zum verwirrten Irrenden geworden, dem Masterchen als Mensch wenig helfen kann. So sehen wir das. Aufschlussreich spannend fanden wir jedoch, was Reiherchen noch weiter bei den Menschen erkannte. „Menschen sind see-rious, alles müssen sie beäugen. Sie lieben den Kampf wie wir Vögel und …“ Ja, liebe Leserin und lieber Leser, das Weitere konnten wir leider nicht verstehen, da es von flattrigen Flügelgeräuschen überdeckt wurde.
Wir sprachen noch lange darüber, ob die Welt nicht von den Vögeln abstammt. Heißt es nicht in alten Schöpfungsberichten der Ägypter und Hindus „Am Anfang war das Ei“? Und Helena, die schönste Frau der Antike, soll auch aus einem Ei geboren worden sein, aber das wusste Georg Reiher nicht, sonst wäre er wohl noch größenwahnsinnig geworden und zum Glück hat Georg auch nicht das finnische Nationalepos „Kalevala“ gelesen, in dem unser ganzes Universum aus einigen Eiern (allerdings der Ente) entstanden ist.
Aber Ende gut, alles gut. 90 Minuten später sahen wir den Reiher mit hochgerecktem Kopf fröhlich davon fliegen.
„Sea you!“ verabschiedete sich Masterchen.
Jetzt musste Georg nur einige Edelfische vorbeibringen, um Masterchen zu bezahlen.
Ganz liebe Grüße aus dem Vogelparadies
Siri & Selma, Buchfeen 🙂 🙂
Masterchen lässt auch lieb grüßen und vielen Dank an die liebkluge Dina Bilderfee für die Idee xxx
“Old sailors never die, they just get a little dinghy.”
Mast- und Schotbruch, Pit
Im Norden auf der Karte könnte ihr den Pit sehen, nein, nicht den Pit aus Süd-Texas, sondern den Blakeney Pit. Das ist das stark gezeitenabhängige Haff, das wir durchqueren müssen, um mit Circe unserem Boot in See zu stechen. Wir wohnen ja in Cley next the Sea, dem kleinen Dorf am großen Meer, seht ihr, wo wir mit Circe starten?
Es gilt als ehernes Gesetz, dass die Kinder der Küstenorte, nicht den Pit beim Segeln verlassen dürfen. Wir Bookfayries dürfen auch nur mit Masterchen am Ruder den Pit verlassen, denn die Dünung und der Wellendruck, die Strömungen und Untiefen sind jenseits des Pits gefährlich. “Immerhin”, hält uns Masterchen immer vor, “sterben vor dieser Küste alljährlich um die 25 Leute auf See.”
(Für den geographisch Interessierten: Morston liegt genau auf ein Grad östlicher Länge, die Koordinaten von unserem Haus in Cley: rund 53 Grad nördliche Breite, rund 1 Grad östliche Länge)
Bevor wir allerdings zum Pit kommen, müssen wir den Glaven befahren, der diese Haff-Nehrungsküste bildet, und da geht es durch`s Reet (dieses Schilfgras wird auch „Ried“ genannt). Im folgenden Bild könnt ihr unsere geliebte Circe sehen, das Boot, das wir schon seit über 20 Jahren fahren. Naja, so sieht es auch aus …
Also, durch`s Ried an der Mühle entlang, geht es raus auf den Pit durch die große Schleuse, die unser Dorf vor Überflutungen schützt. Die letzte große Flut war 1953, als man auf der Hauptstraße Kahn fahren konnte. Aber da waren wir noch nicht hier. Die old boys und girls haben ihre eigene Zeitrechnung in Jahren nach oder vor der großen Flut.
Die Fischer haben am Glaven ihre Reedbeds, die Flächen, wo sie im Februar das Ried schneiden, mit dem traditionell Dächer gedeckt werden.
Das Gebiet ist fest in der Hand der Birdwatcher. Treffen wir solche Vogelgucker, die meist mächtiges Gerät wie ein Teleskop, Fotoapparat auf Stativ mit baumlangem Teleobjektiv und natürlich ein Fernglas mit sich schleppen, begrüßen die uns keineswegs mit “hi!” oder “good afternoon”, nein, ein echter Birdwatcher fragt sogleich: “What have you spotted so far?” Sie erhoffen sich natürlich von uns fliegenden Wesen den heißen Tipp (meine Schwester und ich sind bekannt für unserm Scharfblick), aber unter uns, wir kennen uns mit Vögeln weniger aus, das sind völlig andere Flatterwesen als wir – wir sind nicht verwand!
Cley wird das „Mekka of Birdwatching“ genannt. Ja, es spielen sogar einige Birdwatcher-Krimis in unseren Marschen und gar auf der High Street, wie der von der BBC verfilmte Roman “The Murder in the Hide”.
Und wenn wir erst durchs Ried und danach auf dem Pit herumtuckern, befinden wir uns in einer Landschaft wie designed, klare Linien, Meer, viel Horizont, Strand, die stets die gleiche Wirkung auf uns haben: erfrischend, entspannend und entschleunigend.
Spürt ihr das jetzt auch? Tiiiiief inhalieren, das hilft! Oben seht ihr Masterchen mit Circe am Lifeboat House am Ende der Nehrung. Das blaue Lifeboat House wurde 1898 als Ersatz des älteren gebaut. Allerdings taugte es zur Seenotrettungsstation gar nicht, da sich innerhalb weniger Jahre so viel Kies, Sand und Schlick durch die Strömung ablagerte, dass man dort kein Rettungsboot mehr zu Wasser lassen konnte. Seit 1910 dient es als eine Forschungsstation, die dem University College von London gehört.
Schaut auf Selmas Lieblingskarte unten: NT (für National Trust) bezeichnet das Lifeboat House und dann seht ihr gleich steuerbord und backbord die großen Seehundkolonien. Am östlichen Ufer sahen wir gestern über tausend Common Seals und die riesigen Atlantic Seals. Wir Buchfeen lieben diese Robben, die stets unser Boot begleiten.
Da sind sie, unsere liiiiieben Freunde da draußen! Manchmal ist es ziemlich risky, sie zu besuchen. Der Wellendruck und die Höhe der Dünung zwingen Masterchen häufig zu kühnen Wendungen, und dann wird es eine nasse Angelegenheit. Ich, Selma, knipse mir mit Dina, die Finger wund und wie der kleine Hävelmann schreien wir “mehr, mehr! Noch eine Runde an den Seehunden vorbei!” Durch das schaukelnde Boot ist es nicht so leicht, unsere Freunde gut ins Bild zu bekommen. Ich, Siri, helfe dem Master die Wellen einzuschätzen, was immer wichtig bei Kursänderungen ist, sonst gibt`s eine so unfreiwillige wie heftige Dusche, brrrrrr … Das mögen die Kameras überhaupt nicht und das Geschrei ist groß. Naja und vom Kentern wollen wir gar nicht erst reden.
Die herzerweichend schauenden Seehunde sind natürlich Menschenwatcher. Alle beobachten, auch wir. Spannend ist es, den Seeschwalben beim Fischen zuzuschauen und wir lieben ihren ständigen schrillen Schrei. Über ihrer riesigen Kolonie (30.000 Vögel) gleich hinter dem Badestrand der Robben schwirrt die Luft.
Wir könnten ewig lang draußen auf dem Pit verweilen, aber leider, leider das Meer hat das Sagen und zieht das Wasser zurück. Dann müssen sogar die Piraten gehorchen, … oh ja! Es ist halt unehrenhaft für einen Piraten auf dem Trockenen zu landen und zu Fuß nach Hause zu gehen. Geht gar nicht!
Die Piraterie ist eine große Leidenschaft in dieser Gegend, aber psssst! nicht weitersagen, wir spielen nur Piraten. Wie das aussieht, seht ihr unten: Wie sich Masterchen eine Kaperfahrt erträumt. Na, wir lassen ihn ruhig träumen. Ist ja nett 😉
Nun könnt ihr euch das hoffentlich besser vorstellen, wenn wir sagen, wir fahren mit dem Boot raus.
Ganz liiiiiebe Buchfeengrüße von
Siri & Selma 🙂 🙂